Kolumne Mein Leben mit der Ökobilanz: Die kleine Notlüge

So eine Mikrowelle ist ein echtes Ökowunder. Aber eben auch so hässlich, dass mir im Kampf gegen die Anschaffung jedes Mittel recht ist.

Eine alte Mikrowelle wird hier nahe Sydneys als Briefkasten benutzt

Als Briefkasten geht die doch noch? Foto: Reuters

Seit meine Frau das mit der Mikrowelle herausgefunden hat, muss ich im Gästezimmer schlafen. „Du lügst und schwindelst“, schimpft sie. Meine Frau will eine Mikrowelle. Öbi will auch eine. Denn eine Mikrowelle ist ein echtes Ökowunder. Aber ich will keine! Weil Mikrowellen hässlich sind.

Mit meiner kleinen Unehrlichkeit wollte ich verhindern, dass Öbi und meine Frau miteinander reden – am Ende über Mikrowellen. Jetzt geht es für mich nur noch darum, möglichst glimpflich aus der Sache rauszukommen. „Notlüge“, stammle ich also versuchsweise. „Bledsinn! Da wär’ ich rüchtüch fuchtig bei so ’n Balaber.“ Wenn meine Frau sauer ist, kommen ihre erzgebirgsvorländischen Wurzeln durch. Ich versteh kein Sächsisch. Aber der Ton macht schon die Musik.

Was da los war? Schuld ist Öbi. Sie hat getan, womit ich nicht rechnen konnte. Normalerweise ignoriert sie meine Frau, obwohl wir auf engstem Raum leben, und Öbi, die Ökobilanz, ihren missionarischen Eifer kaum zügeln kann. Sie findet immer etwas an dem, was wir tun, das die Erde dem Abgrund einen Schritt näherbringt. Arme Öbi: Sie sieht meist aus, als habe sie Essig getrunken.

Meine Frau nervt das. Manchmal ruft sie morgens „ich nehme heute das Auto“ und bringt unsere Tochter dann trotzdem wie immer mit dem Rad in den Kinderladen. Nur um Öbi zu ärgern. Darum war ich eigentlich sicher, dass Öbi und Katharina – meine Frau – nicht dahinterkommen würden. Ich fand meine Notlüge legitim. Meine Frau nicht.

Tot ist man am ­umweltfreundlichsten

„Katharina“, sagte Öbi, nachdem ich mit unseren Jungs zur Schule aufgebrochen war. „Was macht ihr denn eigentlich in den Ferien?“ Meine Frau wird sich gewundert haben, denn normalerweise liegt Öbi morgens auf dem Sofa und beginnt den ökologisch korrekten Tag damit, nichts zu machen. Sie hat mir vorgerechnet, dass das ganze Problem damit losgeht, dass Leute was machen. Irgendwas. Egal was. „Wenn man nichts macht, macht man am wenigsten falsch.“

Sie denkt oft nach, wie sie sich möglichst umweltfreundlich von der Welt verabschieden könnte. Es geht dann um kaltes Wasser, Pappsärge und einen Bestatter mit Fahrradanhänger für Leichen. Sie tut es dann doch nicht. Nicht, dass ich auf ihr Ableben spekulieren würden. Ich liebe Öbi, ich kann nicht leben ohne sie. Aber ich denke: Wäre sie konsequent, wäre sie tot.

Dann rückte sie damit raus: „Wenn ich euch fünf und den Mitbewohner richtig erziehe, kann ich vielleicht so viel CO2 vermeiden, dass ich meine Emissionen wieder reinhole.“ Seitdem passe ich auf, dass Öbi bei uns immer wieder was zum Verbessern findet.

„Na, wir fahren auf diese Hütte in den Alpen“, sagte meine Frau. Wir planen nämlich die Super-Öko-Ferien bei einem Freund, der seit 30 Jahren so lebt wie 1850 – vor der Erfindung von elektrischem Strom und Dampfmaschine, die er für die Ursache allen Schlamassels hält. Die Hütte ist in Wahrheit ein Unterstand aus lose geschichteten Steinen, durch die der Wind pfeift. „Alles da, was man braucht“, hat mir der Freund versichert. „Und wenn noch eine Unterlage fehlt, holen wir Laub aus dem Wald.“ Da kann Öbi wenig meckern.

Das Auto ist nicht zu rechtfertigen

Der kritische Punkt ist die Anreise. Mit dem Auto. Dessen Ökobilanz ist bekanntlich spätestens nicht mehr zu rechtfertigen, seit die Bahn mit Öko-Strom fährt. Zumindest für uns Bahncardbesitzer. Meine Frau war sich darum sicher, dass es jetzt um die Ökobilanz der Bahn gehen würde. Aber Öbi ging einfach über die Sommerferien hinweg: „Ah, das ist ja schön. Und was macht ihr im Winter?“ „Keine Ahnung, wir haben noch nichts geplant“, sagte meine Frau wahrheitsgemäß. Öbi säuselte harmlos: „Und deine Idee mit Südafrika?“

Am Ende musste ich alles gestehen. Dass ich mir das mit Südafrika nur ausgedacht hatte. Dass ich natürlich niemals glauben würde, dass meine Frau so unsensibel wäre, unsere Ökobilanz mit einem Flug für fünf Personen nach Südafrika praktisch für immer zu ruinieren. Und dass ich das nur gesagt hatte, damit Öbi und Katharina nicht miteinander reden. Vor allem nicht über die Mikrowelle.

Im Kampf gegen die Mikrowelle ist mir jedes Mittel recht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.