Kolumne Mithulogie: Selbstverteidigung auch für Jungs

Auch Jungs sollten feministische Selbstverteidigung lernen. Es ist nämlich leichter, anderer Leute Grenzen zu achten, wenn man selbst welche hat.

Zwei junge Männer kämpfen in Judo-Anzügen auf dem Boden einer Turnhalle.

Feministische Selbstverteidigung ist mehr als nur kämpfen Foto: dpa

In meiner letzten Kolumne forderte ich feministische Selbstbehauptung an Schulen und bekam eine Menge Mails, die nicht meiner Meinung und freundlich waren. Der Trick mit Kritik ist, dass sie wirkt, wenn sie mir nicht befiehlt, mich umzubringen, weil ich etwas geschrieben habe.

In diesem Fall halt: feministische Selbstverteidigung, was von vielen als feminine Selbstverteidigung verstanden wurde, sprich nur für Frauen. Bei WenDo geht es nicht nur um Schläge, sondern vor allem darum, sich die Erlaubnis zu geben, nicht superfreundlich zu sein, wenn Leute einen vollquatschen, „das ist mir zu nahe“ zu sagen, wenn Leute einem auf die Pelle rücken und „LASS DAS!!!“ wenn … na ist ja klar, wann.

Und was ist derweil mit den Jungs? Sitzen die rum und hauen sich gegenseitig mit einem Stock auf den Kopf? Natürlich nicht. Doch es ist tatsächlich so, dass das WenDo-Angebot für Jungen nicht gerade flächendeckend ist. Was daran liegt, dass WenDo aus der Selbsthilfe entstanden ist. Aber auch, dass Übergriffe auf Männer oder Jungen ein blinder Fleck sind.

Sexualisierte Gewalt gegen Männer

So kam nach der Kolumnenlesung am vergangenen Dienstag in Berlin der Autor Eilert Bartels zu mir und sagte, er hätte ein Problem mit den Schildern in Schwimmbädern: Egal welche Badekleidung eine Frau trägt, sie ist zu achten und zu respektieren. „Dem stimme ich natürlich zu, aber was ist mit Männern? Sind die nicht zu respektieren?“

„Als Mann werde ich doch nicht belästigt“, wiegelte ein anderer Zuhörer ab. „Echt nicht?“ „Echt nicht.“ Und dann fing Bartels an, die letzten Wochen aufzuzählen, angefangen beim Zwischen-die-Beine-Greifen im Schwimmbad bis hin zu der Frau, die ihm an dem Abend ungefragt über den Bauch geschrubbt und gesagt hatte: Oh, du hast aber zugenommen. In diesem Moment unterbrach der andere: „Doch, das letzte mal war vor 3 Tagen.“

Weshalb es in Tübingen eine Beratungskooperation sexualisierte Gewalt für Frauen*Männer gibt. Nur haben die das Problem, dass Micha Schöller, die für Frauen* zuständig ist, alle Hände voll zu tun hat, im Gegensatz zu ihrem Kollegen … Also, doch unnötig? „Nein“, sagt Schöller, „die Schwelle für Männer, sich an uns zu wenden, ist noch höher als die für Frauen. Jungen lernen, nicht über ihre Verletzlichkeit zu sprechen, bis sie sie selbst nicht mehr wahrnehmen.“

Das könnte durch WenDo-Kurse an Schulen geändert werden. Wenn die Kurse für Jungs* nicht nur beinhalten, mit Mädchen respektvoll umzugehen, sondern dass auch ihre eigenen Grenzen respektiert werden müssen. Nebenbei: Es ist viel leichter, auf andere Grenzen zu achten, wenn man selbst welche haben darf. Und was ist mit Transkindern? Die wissen in der Regel genau, welches Geschlecht sie sind und sollten auch in dieser Gruppe mitmachen dürfen. Ansonsten bin ich dankbar für Vorschläge.

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Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)

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