Kolumne Mithulogie: Ein kleines 1 x 1 des Rassismus

Wir müssen weiterhin über die #MeTwo-Debatte reden, schließlich geht es um Rassismus. Genauer gesagt um O – wie Othering.

Ali Can im Anzug mit Fliege

#MeTwo-Initiator Ali Can bekommt einen Oscar – das hat die Autorin zumindest geträumt Foto: dpa

Heute Nacht habe ich geträumt, dass #MeTwo vom Time Magazine zur Person des Jahres 2018 gekürt wurde und der Initiator Ali Can im schwarzen Ballkleid den Oscar entgegennahm.

Ich habe auch geträumt, dass die Blumen auf meiner Fensterbank geklont worden sind, aber das tut hier nichts zur Sache. Denn die Sache ist #MeTwo. Und an dieser Sache beißen sich zurzeit eine Menge Menschen eine Menge Zähne aus. Ich habe lange nicht mehr so viel Kritik zu einem Text bekommen, in dem es nicht um Sex ging, wie zu meiner #metwologie Kolumne. Die Fantasievollste war: „Mithu muss immer so tun, als ginge es um sie persönlich.“

Ja, was denn? Soll ich lieber schreiben: Als letztens einer Freundin, Korrektur: Person, die ich nicht kenne, was geschehen ist, was ich nicht mitbekommen habe? Schließlich geht es hier um Rassismus. Okay, meistens geht es streng genommen um Othering, also um die bewusste und häufig, na klar, vollkommen unbewusste Einteilung von Menschen in Hier&Da oder Wir&Die. Und Wir, das sind nicht wir.

Das Problem mit Othering ist, dass es von außen ziemlich banal aussieht. Was macht es schon mit mir, wenn ich ständig „Wo kommst du her / Kannst du Indisch sprechen / tempeltanzen / Kamasutra?“ gefragt werde? Nun, in den meisten Fällen nicht viel. Wenn ich jedes Mal tot umgefallen wäre, würde hier eine weiße Person darüber schreiben, dass sie Yoga toll findet. Und hey, Yoga ist ja auch toll.

Othering wirkt zu Beginn ziemlich banal

Das Problem ist, dass ich bis #MeTwo mit niemandem darüber sprechen konnte, außer mit Menschen mit Hautfarben ab Pantone 2431 U, und dadurch diese Hautfarben mit Eigenschaften aufgeladen werden, die sie echt nicht haben, wie der, ein Rassismusdetektor zu sein.

Das Problem ist, dass wir – wer auch immer wir sind – dadurch große Teile unseres Alltags nicht teilen können und von daher wir – und damit meine ich uns alle – nicht daraus lernen und daran wachsen können. Spoiler: Rassistisch sind nicht nur die anderen. Natürlich bin ich auch rassistisch, will sagen: genauso in einem Land aufgewachsen, das Deutschsein mit einer Farbe versieht, die sich auf dieselbe Palette beschränkt wie Hautfarben im Schminkregal.

Ja, #MeTwo ist ein Zeichen dafür, dass Integration ganz schön weit gekommen ist, da hat Alladin El-Mafalani schon recht. Das Problem ist, dass das Wort „Integration“ bereits impliziert, dass eine Seite sich anpassen muss und die andere das großzügig zulässt. Dabei sind das Vorstellungen aus dem 19. Jahrhundert. Indem wir diese erweitern, befreien wir auch Weiße aus dem Korsett des Kartoffelseins. Wenn wir ihr sein dürfen, dürft ihr auch wir sein.

Es gibt bei Deutschsein nicht Entweder-oder. Deutschsein ist ja nicht Marmite, das für die einen Ambrosia und für die anderen das Zeug des Teufels ist. Deutschsein ist vielfältig und widersprüchlich, so wie Menschsein.

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Dr. Mithu M. Sanyal, Kulturwissenschaftlerin und Autorin Themen: Sex, Gender, Macht, (Post)Kolonialismus, Rassismus, Wissen schreibt eine regelmäßige Kolumne für die taz "Mithulogie" Bücher u.a. "Vulva" (Wagenbach), "Vergewaltigung. Aspekte eines Verbrechens" (Nautilus.)

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