Kolumne Nach Geburt: Für die beste Mutti der Welt

Irgendwann demnächst ist Muttertag. Dieser höchste aller Feiertage wurde meinen Geschwistern und mir immer vorenthalten.

Auf einem Lebkuchenherz steht: Mami, ich hab Dich lieb

Jaja, ich Dich auch Foto: dpa

Ich erfahre immer erst sehr spät, dass wieder Muttertag ansteht. Meistens aus der Werbung. Meistens von Ferrero. Diesmal aber von Lidl (Danke dafür). Den Muttertag gab es früher bei uns schlicht nicht.

Als ich im Grundschulalter war, hab ich vom Muttertag Jahr für Jahr dadurch erfahren, dass bei Freunden immer selbstgemalte Bilder mit „Für die beste Mutti“-Sprüchen am Kühlschrank pappten. Wahrscheinlich von der Grundschullehrerin oder der Kindergärtnerin oder dem Papa initiiert. Und es wurde dann mal einen Tag lang die Hausarbeit nur vom Vater und den Kindern gemacht. Und die beste Mutti der Welt durfte sich einen Tag entspannen. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

War ich darauf eifersüchtig, dass es das alles bei anderen gab? Nahm ich das deswegen so sehr wahr?

Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass es bei uns im Haus irgendein „Für die beste Mama/Papa/Oma/Opa“-Accessoire gab. Es gab aber andersherum auch keine für Gäste sichtbaren Liebesbekundungen meiner Eltern an uns Kinder. Hing überhaupt damals irgendwo im Haus ein Foto, auf dem wir alle sechs drauf waren? Ich glaube nicht. Vatertag fand bei uns auch nicht statt. Wir haben zu unseren Eltern auch nicht „Mutti“ und „Vati“ gesagt, noch nicht einmal „Mama“ oder „Papa“. Wir haben sie mit Vornamen angesprochen. Tja, war ne harte Zeit damals.

Und da man an schönen Familientraditionen festhalten soll, gibt es heute auch bei meiner Freundin und den Kindern und mir keinen Muttertag. Und den Ich-brauch-ne-Ausrede-zum-Saufen-Tag, genannt Vatertag, auch nicht. So viel Gerechtigkeit muss sein.

Muttertag? Nur eine Ausrede

Ich weiß noch, dass ich mal mit meiner Mutter darüber geredet habe, warum bei uns der Muttertag eigentlich nicht stattfindet. Ihre Antwort: Der Muttertag diene nur als Ausrede, damit sich der Vater und die Kinder die restlichen 364 Tage im Jahr aus der Hausarbeit raushalten könnten. „Und das sollen Mütter dann auch noch gut finden?“

Ich (ungefähr zehn Jahre alt): „Ääh…nein?“

Sie: „Bei uns dürft Ihr jeden Tag den Geschirrspüler ausräumen. Es ist jeden Tag Muttertag. Toll, oder?“

Ich (immer noch ungefähr zehn Jahre alt): „Ääh…ja?“

So, ich muss jetzt den Geschirrspüler ausräumen. Am Vatertag. Scheiß Traditionen.

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Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.

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