Kolumne Nachbarn: Mit blutbeschmierten Händen

Wenn in Syrien nicht mehr gemordet wird, dann wird die Zeit des „Siegers“ anbrechen. Und die Zeit der Verlierer, die ihren Ideen verraten werden.

Plakat mit Assad und Ayatollah Khomeini in Damaskus

Verbrecher oben auf, im Palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk in Damaskus Foto: AP

Morgen wird der Krieg in Syrien vorbei sein; und wenn nicht morgen, dann eben irgendwann, in naher oder ferner Zukunft. Denn noch kein Krieg hat ewig gedauert. Wenn es soweit sein wird, wird der „Sieger“ seine toten Soldaten und seine Kriegsbeute einsammeln und seinen Triumph feiern. Aber welchen Triumph? Es wird in diesem Krieg keinen Sieger geben. Und wer sich als solchen bezeichnet, ist nichts anderes als der große Mörder. Na dann mal Glückwunsch zu den auf alle Ewigkeit blutbeschmierten Händen.

Der vermeintliche Sieger wird die Geschichte seiner Triumphe aufschreiben, ein Museum für seine Heldentaten errichten und die Namen seiner Gefallenen womöglich nicht einmal erwähnen. Er wird mit seinen Getreuen das Siegerepos auf Gedenktafeln eingravieren lassen und sich vor dem Siegerdenkmal ablichten lassen. Seine Stimme wird aus Lautsprechern im ganzen Land tönen, auch inmitten der Trümmer, während er mit geballter Siegerfaust schreien wird: „Ich bin der Sieger! Soldaten, marschiert in den Tod; oh du mein Volk, opfere dich für mich.“ Und das versammelte Volk wird vor, während und nach der Lobeshymne Beifall klatschen.

Die Mütter werden auf den Friedhöfen ihre Toten beweinen und die Kinder in den Flüchtlingslagern weiter erfrieren. Die Fische im Mittelmeer und die Wölfe in den Bergen und Wäldern werden weiter die Leichname der Ertrunkenen und Geflüchteten fressen.

Der Diktator als Vorbild

Morgen werden die Verlierer ihr Gedächtnis auslöschen und weiter Lügen erzählen, bis sie sie selbst glauben, sie werden die Siegesdenkmäler ihres alten und neuen Herrn besuchen, sich vor den Triumphstätten ablichten lassen und sich von ihren früheren, gegen ihren Herrn gerichteten Meinungen, Erklärungen und vermeintlichen Heldentaten gebührend distanzieren. Sie werden ihren neuen Standpunkt ausführlich begründen. Denn der Diktator ist ihr Vorbild, der die Bilder des Volkswiderstands einst als Fake News abtat und auf allen Kanälen Gefangene zeigte, die erklären mussten, sie seien niemals gefoltert worden.

Morgen wird die internationale Presse Bilder des Diktators inmitten von Staatsmännern anderer Länder zeigen. Die Staatsoberhäupter dieser Welt werden ihm zum Sieg gratulieren, ihn für seine Kämpfe und Siege gegen den Terror loben und ihn wieder in ihre Gemeinschaft aufnehmen. Sie werden schamlos genug sein, sich um Verträge für den Wiederaufbau zu bemühen. Vielleicht werden sie sogar anbieten, ein Museum für all die Waffen, die sie für den Krieg geliefert haben, zu errichten.

Die Presse wird unentwegt debattieren und Journalisten werden versuchen, die Gültigkeit ihrer vorausschauenden Analysen noch einmal zu beweisen und ihre richtigen Standpunkte zu erläutern.

Der Krieg wird zu Ende gehen, und der Morgen wird kommen.

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