Kolumne Nachbarn: Erklärt mir bitte, was Integration ist!

Natürlich wusste ich schon vor meiner Ankunft in Deutschland, dass ich Deutsch lernen muss. Aber dann kam mir die Integration dazwischen.

Knöpfe in einem Aufzug, der 3. Stock ist mit einem Zettel "Deutsch-Kurs" markiert

Mein Deutsch scheiterte am „Integrationsdilemma“: Ich hatte Arbeit, aber fehlte im Sprachkurs Foto: dpa

Wenige Wochen nach meiner Ankunft in Deutschland benötigte ich eine Bescheinigung von einer deutschen Behörde, weshalb ich mich an eine Sachbearbeiterin der besagten Behörde wandte. Ich ging in ihr Büro, begrüßte sie, entschuldigte mich dafür, dass ich noch nicht Deutsch sprach, und schilderte ihr mein Anliegen höflich auf Englisch. Ich gab ihr einen Zettel, auf dem in deutscher Sprache stand, was ich brauchte, und zeigte ihr meinen vorläufigen Flüchtlingsausweis.

Sie musterte mich prüfend von oben bis unten und sagte dann schnippisch, während sie mir die Bescheinigung hinschob: „Wir sprechen in Deutschland Deutsch. Und wenn du Englisch sprechen willst, geh dorthin, wo man Englisch spricht.“

Ich war schockiert, nahm das Dokument, ging hinaus und weinte. Ich dachte nicht im Entferntesten daran, mich über sie zu beschweren, und behielt das Vorgefallene für mich. Denn im Grunde schämte ich mich meines Flüchtlingseins. Mir wurde bewusst, dass der Alltag nicht ganz einfach sein würde.

Natürlich wusste ich schon vor meiner Ankunft in Deutschland, dass ich Deutsch lernen sollte. Es liegt ja auf der Hand: Wer in einem fremden Land leben will, soll dessen Sprache sprechen. Das sollte selbstverständlich sein. Also suchte ich eine Sprachschule, um einen Sprachkurs zu absolvieren. Doch kurz darauf sah ich mich mit dem „Integrationsdilemma“ konfrontiert. Am Deutschlernen scheiterte ich später. Gleichwohl lernte ich viel über die deutsche Kultur und Geschichte und wurde in den Arbeitsmarkt integriert. Dadurch fehlte ich erst recht sehr häufig in der Sprachschule, da ich viel arbeitete.

„Du lebst seit vier Jahren in Deutschland und besuchst immer noch die Stufe B1?“

Trotzdem werde ich immer noch öfter mit der Frage konfrontiert: Du bist schon so lange in Deutschland und hast immer noch nicht Deutsch gelernt? Du lebst seit vier Jahren in Deutschland und besuchst immer noch die Stufe B1? Um diese Frage nicht mehr hören zu müssen, begann ich vor einigen Monaten schließlich wieder, den Sprachkurs zu besuchen.

In meinem Kurs bin ich die einzige Araberin. Die meisten Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen aus europäischen oder amerikanischen Ländern, leben schon länger in Deutschland als ich. Wir haben alle mehr oder weniger das gleiche Sprachniveau. Als ich von meinen Erfahrungen erzählte, waren die anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmer erstaunt, da sie nie mit solchen Fragen konfrontiert wurden. Hat es damit zu tun, dass ich eine Geflüchtete bin? Aus einer bestimmten Region komme? Oder gibt es andere Gründe?

Ich möchte zum Schluss gerne wissen: Sind wirklich alle Deutschen integriert? Was bedeutet Integration eigentlich? Kann mir das jemand bitte so erklären, dass ich auch mitmachen kann?

Aus dem Arabischen von Mustafa Al-Slaiman

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Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  

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