Kolumne Nachbarn: Eure Vorbehalte helfen mir nicht

Das BAMF stellt Asylentscheide für Syrer zurück. Unter syrischen Flüchtlingen in Deutschland sorgt diese Nachricht für Ärger und Unmut.

Auf einem Plakat sind Flaggen, der Schriftzug des Bundesinnenministeriums und "Dein Land. Deine Zukunft. Jetzt" zu sehen

Fordert eure Regierung auf, dem Missbrauch der Flüchtlingsfrage ein Ende zu setzen! Foto: BMI

Vor wenigen Tagen ging in einigen Berliner Bezirken die Nachricht um, Syrerinnen und Syrer würden zur Rückkehr nach Syrien aufgerufen, da ihr Land sie brauche: Der Krieg sei vorbei, Sicherheit und Stabilität seien wiederhergestellt.

Das BAMF stellt einem Medienbericht der Funke Mediengruppe zufolge seit einigen Wochen Asylentscheide für Syrerinnen und Syrer zurück. Hintergrund sei laut dem Bericht, dass das BAMF die Sicherheitslage in Syrien neu bewerte. Fast parallel dazu veröffentlichte die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Studie, aus der hervorgeht, dass jeder Zweite in Deutschland Vorbehalte gegenüber Asylsuchenden äußere.

Die Nachrichten verursachten Ärger und Unmut unter den Syrerinnen und Syrern in Deutschland, vor allem unter denjenigen, die Syrien nicht wegen des Krieges oder ISIS verließen, sondern weil sie politisch verfolgt wurden. Diese Menschen haben ihr ganzes Leben hinter sich gelassen und waren geflüchtet aus Angst, verhaftet, verschleppt, gefoltert oder gar in den Gefängnissen getötet zu werden.

Ich bin einer dieser Menschen. Ich habe nie geplant, Syrien zu verlassen oder nach Deutschland zu kommen. Ich bin nur hier, weil ich keine andere Wahl hatte. Nach vier Jahren liebe ich dieses Land, als hätte ich immer hier gelebt. Ich bemühe mich stets darum, dass Deutsche und Syrer sich näherkommen und besser kennenlernen. Ich lebe in der Hoffnung, dass ich und andere syrische Geflüchtete eine echte Chance bekommen, nach Syrien zurückzukehren. Aber dass der Krieg nun fast beendet ist, bedeutet noch lange nicht, dass die Diktatur vorbei und die Demokratie etabliert ist.

Hass gegen Flüchtlinge

Das Land braucht einen politischen Wandel, der in eine demokratische Regierung mündet, die Freiheit, Bürgerrechte und Recht auf freie Meinungsäußerung respektiert und garantiert; ein System, das keine Studenten, Intellektuelle, Wissenschaftler, Journalisten und Ärzte verfolgt, nur weil sie anders denken.

Ja, ich werde in meine Heimat zurückkehren, weil sie mich braucht. Doch wenn ich an der Grenze verhaftet werde, diene ich niemandem.

Fordert eure Regierung auf, mir Unversehrtheit zu garantieren, und ich werde zurückkehren! Ich werde sogar andere dazu überreden, es mir gleich zu tun.

Hört endlich auf, Hass gegen Flüchtlinge zu schüren. Das nutzt niemandem, ganz im Gegenteil. Es vertieft die Gräben zwischen euch und ihnen. Entscheidet euch nicht für die Diktatur. Fordert eure Regierung und die Regierungen der Welt auf, dem Missbrauch der Flüchtlingsfrage ein Ende zu setzen. Ihr seid heute ganz besonders aufgefordert, für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde einzutreten.

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Kefah Ali Deeb wurde 1982 in Latakia, Syrien, geboren und ist 2014 nach Berlin geflohen. Sie ist bildende Künstlerin, Aktivistin und Kinderbuchautorin, außerdem Mitglied des National Coordination Committee for Democratic Change in Syrien.  

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