Kolumne Nebensachen aus Jerusalem: Solarzelle statt kalt duschen
Missmanagement und Arabischer Frühling bescheren Israel einen unerwarteten Aufschwung der Solarenergie. Denn Strom wird immer knapper.
Nachbars Monopoly-begeisterter Filius hat den Trick raus. Endlich weiß er, wie er seine Kenntnisse über den Kapitalismus praktisch umsetzen kann. Eine Solarzelle, sagt er, werde ihn reich machen. Das machen alle, jedenfalls alle, die es sich leisten können. Überall in unserem Dorf wird gehämmert und geschraubt. Rauf auf die Dächer mit den Sonnenkollektoren.
Die Investition hat sich zwar gewaschen, dafür ist die Rendite so gut wie sicher. Vorausgesetzt, es geht nichts kaputt. Umgerechnet rund 100.000 Euro muss der Besitzer eines Einfamilienhauses auf den Tisch legen, um seine Dachfläche optimal für den Energieauffang zu nutzen. Die Banken geben Kredite, denn innerhalb einiger Jahren könne das Geld wieder eingespielt werden. So lockt das Elektrizitätswerk, ohne sich auf langfristige Abnahmegarantien einzulassen.
Dass das Geschäft mit der erneuerbaren Energie lukrativ ist, liegt am Missmanagement der staatlichen Energiebehörde und am Arabischen Frühling. Niemand soll denken, dass es auch mal unpolitisch zugehen kann im Nahen Osten. Husni Mubarak ist gestürzt und aus ist es für Israel mit dem billigen Gas aus Ägypten. Das ist schmerzlich, denn der Strom ist knapp. Schon droht das E-Werk, das Licht ausgehen zu lassen und appelliert an Israels treue Bürger, sich etwas zusammenzunehmen.
Wer über die Mittagsstunden seine Waschmaschine betätigt, muss mit Protest der Nachbarn rechnen. Waschmaschinen und Geschirrspüler dürfen, seit die Handelsbeziehungen mit Kairo kriseln, nur nachts laufen, wenn landesweit der Verbrauch sinkt. Klimaanlagen nicht zu kühl stellen, heißt es, dafür darf ruhig auch mal kalt geduscht werden.
Für die häusliche Wassererwärmung gibt es seit Jahrzehnten Sonnenkollektoren. Davon abgesehen blieben die endlosen Strahlen, die Land und Wasser fast das ganze Jahr über kostenlos erhitzen, ungenutzt. Jetzt entdeckt Israel die Sonnenenergie neu und setzt dabei auf die privaten Hauseigentümer.
Mit einer Zelle will Nachbars Sohn anfangen und in ein paar Jahren die zweite kaufen und immer so weiter. Jetzt braucht er noch ein Eigenheim und Startkapital. Da geht es im kapitalistischen Brettspiel doch einfacher.
Leser*innenkommentare
vic
Gast
Ich für meinen Teil habe nie Israel kritisiert, wohl aber Israels Regierung und deren "Politik"
Die Sonne scheint offenbar trotzallem auch über Israel. Schön.
mehrdad
Gast
dass ich das noch erleben darf! das ist das erste mal, dass frau knaul etwas positives über israel schreibt.
jetzt könnte sie so weitermachen und den "israelkritikern" erklären, dass israelische erfindungen in sachen elektronik, wasserversorgung, medizin....tagtäglich millionen menschen das leben retten und, dass "israelkritische" stimmen im alltag alle paar meter auf israelische erfindungen stossen.
israel hat in der tat, anders als deutschland, sehr viel potential in sachen solarstrom.