Kolumne Nullen und Einsen: Das communityistische Manifest

Unternehmer versprechen sie nicht selten: die Revolution. Nun haben ein paar Marx’ und Engels' Manifest neu aufgelegt.

Ein Foodora-Fahrer guckt auf sein Smartphone

Für ihn gilt: In demselben Maße, in dem die Widerwilligkeit zur Arbeit wächst, nimmt sein Lohn ab Foto: imago/Arnulf Hettrich

Ein Gespenst geht um in Europa – das Gespenst der New Economy. Es ist hohe Zeit, dass die Zukunftsbranche ihre Values, ihre Rollouts, ihren Content vor der ganzen Welt offen darlegt. Zu diesem Zweck haben sich CEOs verschiedenster Start-ups bei Google Hangouts versammelt und das folgende Manifest entworfen:

I. Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaften ist die Geschichte von Wettbewerb. Apple und Windows, Google und Yahoo, Facebook und My­space. Unsere Epoche, die Epoche der Fahrrad-Essenslieferanten, zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Gesetze vereinfacht hat. Die ganze Gesellschaft spaltet sich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große, einander direkt gegenüberstehende Klassen: Foodora- und Deliverookunden. Die Kosten, die der Arbeiter verursacht, beschränken sich fast nur auf sein Smartphone und die Transportkraft, deren es zu seiner Arbeitsausübung bedarf. Er lebt auch von Provisionen. Also gilt: In demselben Maße, in dem die Widerwilligkeit zur Arbeit wächst, nimmt sein Lohn ab.

II. Den international agierenden Technologieunternehmen ist ferner vorgeworfen worden, sie wollten das Vaterland, die natio­nale Steuerzahlung, abschaffen. Doch die Mitarbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was sie nicht haben. Indem sie scheinselbstständig sind, ein Unternehmen im Ausland gründen, nur um sich dort selbst als Beschäftigte anstellen – das ist etwas kompliziert, aber so funktioniert das halt –, sind sie selbst noch natio­nal. Wenn auch keineswegs im Sinne des Finanzamtes.

III. Alle Eigentumsverhältnisse waren einem beständigen geschichtlichen Wandel, einer beständigen geschichtlichen Veränderung unterworfen. Die Französische Revolution schaffte das Feudaleigentum zugunsten des bürgerlichen ab. Was das Zeitalter der Maker auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums, sondern dessen Aufgehen in der Sharing Economy. Diese Win-win-Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen. Die herrschenden Innovationen einer Zeit waren stets die Innovation der Kreativindustrie, die eine ganze Gesellschaft revolutioniert. An die Stelle der alten Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Plattform oder ein Device, worin die freie Investition eines jeden die Bedingung für freie Investitionen aller ist.

IV. Die Communityisten verschmähen es, ihre Ansichten, Absichten und AGBs zu verheimlichen. Sie erklären es offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Datenschutzmaßnahmen. Mögen die heulenden Netzaktivisten vor einer communityistischen Revolution zittern. Die Verbraucher haben nichts in ihr zu verlieren als ihren Versicherungsschutz bei einer Uber-Fahrt. Sie haben ein Ipad zu gewinnen, wenn Sie unsere Newsletter abonnieren.

Das „Manifest der Kommunistischen Partei“ zum Textstellenvergleich finden Sie übrigens hier

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