Kolumne Pflanzen essen: Sehnsucht nach Tier

Fleischesser sind ständig genervt von Veganern, die Fleischersatz essen. Das ergibt keinen Sinn. Veganer dürfen Fleisch vermissen.

Schnitzelersatz hat wahrscheinlich genauso viele ungesunde Zusatzstoffe wie tierisches Schnitzel Bild: dpa

Warum essen Veganer andauernd Pflanzenprodukte, die aussehen und schmecken wie Fleisch? Eine Freundin mokierte sich neulich im Supermarkt über den Hühnchenersatz in meinem Einkaufswagen. Über veganen Fleischersatz regen sich Fleischesser mit Vorliebe auf.

Was sie dabei gern vergessen: Die meisten Veganer sind es aus Überzeugung und nicht, weil Fleisch ihnen nicht schmeckt. Fast drei Jahrzehnte meines Lebens war Fleisch mein Lieblingsessen. Eines meiner Leibgerichte waren in Leberwurst getunktes Wiener Würstchen. Bis mir beim Ansehen des Dokumentarfilms „Earthlings“ der Zusammenhang zwischen meiner Ernährung und dem immensen Leid der Tiere klar wurde. Da ist mir die Fleischeslust im Hals stecken geblieben. Wie viele Veganer vermisse ich ab und zu Fleisch.

Besonders am Anfang meiner Ernährungsumstellung war es nicht immer einfach. Fleisch setzt opiatähnliche Stoffe frei, vergleichbar mit Käse. Vegane Mortadella ist sozusagen veganes Methadon. Aber es ist nicht nur eine gewisse körperliche Sucht oder die geschmackliche Sehnsucht. Essen hat auch eine emotionale Komponente. Bestimmte Gerichte verbindet man mit bestimmten Erinnerungen, Traditionen und Gefühlen. Und mit lieben Menschen, mit denen man jene teilt.

Deshalb feiere ich gelegentlich Fleischersatz-Fress-Feste. Mit Vackbraten, Spaghetti Volognese und Chicken-less Chicken Strips. „Ist das nicht ganz schön unnatürlich?“, fragte meine Freundin. Ungefähr genauso natürlich wie ihre geliebten Chicken-Nuggets, die schließlich auch nicht auf Bäumen wachsen. Und die, dem Hinzupanschen der ganzen künstlichen Inhaltsstoffe sei Dank, bestimmt bald genauso wenig Fleisch enthalten wie mein Hühnchenersatz.

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