Kolumne Press-Schlag: Für Wurst und Wohlstand

Uli Hoeneß redet über Armut. Die taz dokumentiert, was der große Vorsitzende aus München dazu und sonst noch so zu sagen hat.

Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alles finanziert? Bild: dpa

Haben Sie schon mal einen gut gelaunten Vegetarier kennengelernt? Eine unserer Mitarbeiterinnen beim FC Bayern war Veganerin. Die musste sechs oder acht Wochen vor der Niederkunft ins Krankenhaus, weil sie dem Kind nicht genug Kraft gegeben hat, nicht genug Leben. Ich kenne mich da aus, ich habe ja selbst eine Wurstfabrik.

Als ich mal 16 Kilo abgenommen hatte, waren wir über Weihnachten und Silvester weggefahren – meine Familie hat mir gedroht, dass sie das nie wieder mitmacht. Nur Salat und Mineralwasser und um 19.30 Uhr spätestens im Bett, weil du vor lauter Hunger so frierst – da kann man keine gute Laune haben.

Ich kann das nicht verstehen, wenn gewisse Menschen immer behaupten, das mit den Lebensmitteln sei so schlimm wie noch nie. Ich stamme aus einer Metzgerei. Wohlstand bedeutet aus meiner Sicht, dass man relativ sorgenfrei leben kann. Dass ich eine Arbeit habe und am Monatsende immer genug Geld, um die Familie zu ernähren. Wenn alles kaputtgehen sollte, dann nützt mir mein Gold auch nichts. Soll ich denn beim Bäcker künftig mit Krügerrand bezahlen?

60, ist amtierender Präsident des FC Bayern München.

Es geht hier um läppische 340 Milliarden Euro an Hilfe für die Griechen. Vergleichen Sie die mal mit den über 2.000 Milliarden Euro, die allein Deutschland seit 1989 in den Aufbau der neuen Bundesländer gesteckt hat. Wir sind nicht daran zugrunde gegangen.

Mit unserer Wurstfabrik profitieren wir von der Krise. Denn wenn die Leute stärker aufs Geld achten, kaufen sie verstärkt bei Discountern ein, und die sind alle unsere Kunden – Aldi, Lidl, Plus, Netto, Tengelmann, Rewe. Aber im Moment ist es zum Beispiel ganz schwierig, Schafseitlinge, in die die Wurst abgefüllt wird, zu bekommen. Die sind im Preis in den letzten zwölf Monaten um 400 Prozent gestiegen.

Dennoch ist Deutschland vergleichsweise immer noch ein Paradies, nur die meisten wollen es nicht wahrhaben. Was mir zu schaffen macht, ist diese Diskrepanz zwischen der Stimmung im Land und der Situation dieses Landes. Wir gehen langsam auf Vollbeschäftigung zu. Wir sind wieder ein Zuwandererland geworden. Wir haben nicht zu wenig Arbeitsplätze, wir haben zu viele. Ich war in der vergangenen Woche auf dem 65. Geburtstag von Dr. Martin Winterkorn in der VW-Zentrale.

Er ist eines meiner Vorbilder, der beste Automanager der Welt. Den neuen Porsche-Boss Michael Macht und unseren Ministerpräsidenten Horst Seehofer habe ich auch getroffen. Unsere Spieler, aber auch ein Dr. Winterkorn tragen viel mehr für das Bruttosozialprodukt bei. Unsere Spieler spielen eine Halbzeit fürs Finanzamt. Deshalb spielen sie manchmal auch eine Halbzeit schlecht. Unsere Spieler zahlen 50 Prozent Steuern. Aber wir kommen nicht weiter, wenn wir 60 oder 70 Prozent verlangen.

Was glaubt ihr eigentlich, was wir das ganze Jahr über machen, damit wir euch für sieben Euro in die Südkurve gehen lassen können? Was glaubt ihr eigentlich, wer euch alles finanziert? Die Leute aus den Logen, denen wir die Gelder aus der Tasche ziehen. Und außerdem: Gegen das Schloss von Oscar Lafontaine ist mein Haus am Tegernsee ja sozialer Wohnungsbau. Franz Josef würde sagen: Ihr habt sie doch nicht mehr alle.

Komposition: ANDREAS RÜTTENAUER

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.