Kolumne Press-Schlag: Das Prinzip der Unzufriedenheit

In der 1. Fußball-Bundesliga sind derzeit irgendwie alle unzufrieden, gequält und seelisch leistungsschwach. Nur ein Team nicht.

Ohne Triple wird in München über den hl. Pep geredet werden müssen Bild: dpa

Wenn die Liga in ihr letztes Drittel einbiegt, wird es spannend – und besonders nervig. Das liegt am Grundprinzip der Unzufriedenheit. Alle murren, alle meckern. Die halbe Liga quält sich in Abstiegsangst – und ständig wird eine neue Sau durchs Dorf getrieben: immer diese endlosen Trainerdebatten. Mittlerweile sollten Nachfolger ihre Erben gleich mitbringen.

Mittelfelddasein – ist auch nicht recht. Die Ansprüche waren doch andere (Morbus 96). Auch oben wird geklagt, solange man nicht sicher dabei ist (ewiges Leverkusen). Wehklagen überall. Ausnahme ist Augsburg – und da muss man schon das nächste Jahr fürchten, wenn die Ansprüche steigen. Siehe Hannover.

Wer ganz unten war wie der BVB, fühlt sich auf Platz 10 der Frühlingssonne nah und rechnet die Punkte bis Europa hoch. Jetzt hat der BVB beim HSV wenigstens die katastrophale Verwertung von Torchancen korrigiert – man hatte ja kaum welche. Immerhin dürfen sich Reus & Co freuen, dass Dresdens Dennis Erdmann, der tretende Kreisligaphilosoph aus dem Pokalspiel, am Samstag vom Platz geflogen ist (beim 0:1 gegen Sonnenhof Großaspach).

Und Wolfsburg? O ja, der sichere 2. Platz, wunderbar. Aber wetten, die Fußball-Volkswägen haben heimlich nach ganz oben geschielt: Wenn die Bayern mal zwei Punkte lassen da oder dort, dann kriegen die es noch mit der Angst zu tun. Solche Naivität kann man sich jetzt sparen.

Tranquilizer, Nervenmittel, Stimmungsaufheller

Bleibt der FC Bayern selbst: Der ist unzufrieden wegen unwürdiger elf Gegentore und der Aussicht, wieder mal erst Ostern Meister zu werden. Der Angstpegel steigt überdies: Ohne Triple wird in München über den hl. Pep geredet werden müssen. Zweimal nacheinander derart erfolglos – das wäre wie woanders Abstieg und Insolvenz zusammen.

Übrigens: Hat mal jemand untersucht, wer am meisten von Gelbsperren der wichtigsten gegnerischen Spieler profitiert? Wahrscheinlich der FC Bayerndusel: Am Samstag Hannovers Stratege Lars Stindl, nächste Woche Bremens Torjäger Franco di Santo.

Alle sind gemütslabil und seelisch leistungsschwach. Damit kommt das Thema Doping aufs Tapet, genauer: das strukturelle Nichtdoping. Im düsteren Gestern also wurden die Bösmittel kiloweise (Pillen) und literweise (Spritzen) eingesetzt. Heute nicht mehr, wie alle zusammenschwindeln („bringt eh nix“). Nur, wann ist die Dopingpraxis verloren gegangen? Ging es schleichend oder plötzlich? Endete das Dopingdasein durch eine Art Kratereinschlag wie einst bei den Dinos? Hat Gutpräsident Egidius Braun gesagt: So, das dürft ihr jetzt nicht mehr, denkt an die soziale Verantwortung? Oder haben die Spieler freiwillig aufgehört („Gute Idee, Doc … ich treff die Bude ja auch vollgepumpt nicht mehr …“)?

Natürlich wird weiter nachgeholfen. Besonders in den Vorständen: Da nehmen alle ihre Tranquilizer, Nervenmittel, Stimmungsaufheller, Psychopharmaka aller Art, um den immensen Druckdruckdruck auszuhalten. Gemütsdoping. Und hier liegt dann auch der Beweis für die Verharmloser und Leugner: Offenbar – siehe oben – bringt es wirklich nichts.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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