Kolumne Press-Schlag: Müllers zur Seite fallende Kuh

Wenn Thomas Müllers zweites Tor gegen Darmstadt unbezahlbar war, warum sollte CR7 dann nicht eine Million Euro für Werbung bekommen?

Thomas Müller fast sich mit der rechten Hand an die Brust

Thomas Müller feiert sein Traumtor gegen Darmstadt Foto: reuters

Inwiefern das Weblog Football Leaks zur Besserung der Weltlage oder wenigstens des Fußballs beiträgt, wissen vermutlich nicht einmal die Betreiber. Verwerflich sind ja keineswegs die Millionengehälter und exorbitanten Boni der Ballartisten, sondern die Servilität und weitreichende Kapitulation der Medien vor dem werbetreibenden Umfeld.

Wenn also, wie Football Leaks in der vergangenen Woche durchstach, Cristiano Ronaldo für einen halben Tag Posieren 1,2 Millionen Dollar einsackt, empört sich nur ein Idiot über die Unverhältnismäßigkeit zwischen Ertrag und Leistung.

Die viel interessanteren Fragen, ob sich denn die Sache für den Zahlmeister, einen saudischen Mobilfunkbetreiber, am Ende gelohnt hat, ob sich überhaupt ein Sportler als Testimonial für Dinge eignet, die mit seinem Talent und Beruf nix zu tun haben, beantwortet mal wieder niemand, und sie stellen sich auch kaum einem Journalisten.

So lange Reklameverträge dafür sorgen, dass ein Profi sich nicht völlig verkaufen muss, sind sie keine Affäre. Anders als Ronaldo etwa muss Kevin-Prince Boateng es leider ganz schön nötig haben, wenn er als Halberwachsener bereits auf seine Erdenspur zurückblickt und sie zwecks besserer Vermarktung in den Dreck zieht.

Grundverlogene Inszenierung

Der Eklat dauerte, wie tags zuvor der um Ronaldos Stundenlohn, zum Glück nur kurz. Boateng behauptete unter anderem, einige Spieler der DFB-Auswahl hätten ihm 2010 per SMS dazu gratuliert, Michael Ballack WM-untauglich gekegelt zu haben. Dieses Nachtreten ist bloß eine Nuance unsportlicher und nichtswürdiger als das Leaking von Ronaldos Gage.

Wie die Kommerzialisierung des Fußballs das Spiel immer unsichtbarer macht, verborgen hinter einer grundverlogenen Inszenierung – darüber gehörte mal ein Buch geschrieben! Aber, hoppla, hat schon einer getan: Jens Berger liefert in „Der Kick des Geldes“ Material, das man gar nicht kennen möchte, aber im Gegensatz zu den Nichtigkeiten restlos systemkonformer Whistleblower und anderer Pfeifen kennen sollte.

„Hat die Premier League die Preise total versaut?“, orakelte im „Aktuellen Sportstudio“ Nichtkenner und Moderator Sven Voss zum Resümee des 22. Spielsamstags in die Führungskamera. Diese Frage sollte Voss mal auf links drehen, falls er eine interessante Antwort hören will: „Haben die Preise die Premier League versaut?“ Aber darauf können wir lange warten.

Und uns derweil an den letzten genuin fußballerischen Details erfreuen, an Edelsteinen, die aus sich selbst leuchten, nicht durch die Lichtregie. Ergötzen wir uns an dem gleichermaßen sensationellen wie slapstickhaften Treffer, den Thomas Müller vom FC Bayern München gegen den noch lange danach entgeisterten Torhüter Mathenia vom SV Darmstadt 98 erzielte!

Um Müllers Torschuss, eine Unio mystica aus Grazie und Eckigkeit, Zauberei und Zufall, in Worte fassen zu können, musste der bediente Darmstädter Coach Dirk Schuster eines erfinden, und es passt ausgezeichnet: „Seitfallzieher“. Danke, die Herren – Sie waren unbezahlbar!

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