Kolumne Pressschlag: Gehen und bleiben

Mario Gómez und Lukas Podolski spielten zuletzt in der türkischen Liga. Mit dem Putschversuch geht jeder auf seine Weise um.

Das wird man nicht mehr sehen: Mario Gomez im Beşiktaş-Trikot Foto: dpa

Mario Gómez verlässt Istanbul. So lautet die Meldung zur politischsten Tat, die ein deutscher Sportler in der vergangenen Woche begangen hat. „Ausschließlich die politische Situation“, schreibt der Nationalstürmer auf Face­book, sei der Grund, warum er das Land, in dem es nach einem Putschversuch, schlapp formuliert: ungemütlich wird, nun verlassen möchte. „Schweren Herzens will ich euch Beşiktaş-Fans persönlich mitteilen, dass ich in der kommenden Saison nicht für diesen tollen Verein, vor euch überragenden Fans und in diesem einzigartigen Stadion spielen werde“, versucht er die Tonlage der Fans zu treffen.

Ein Nationalmannschaftskollege von Gómez ist Lukas Podolski, noch zwei Jahre bei Galatasaray Istanbul unter Vertrag. Podolski hat sich auch via Face­book geäußert: Er postete zu einem Zeitpunkt, als der Putsch noch nicht als gescheitert galt, eine Türkeiflagge. Ein Zeichen der Solidarität, das auch so verstanden wurde.

Gómez wie Podolski positionieren sich auf den ersten Blick unterschiedlich, bei genauerem Hinsehen doch sehr ähnlich: Beide nutzen ihr Privileg als international erfolgreiche Spitzensportler, beide mischen sich nicht konkret in die türkische Innenpolitik ein, beide signalisieren gleichwohl ihre Sympathien. Nicht nur kurz vor den Olympischen Spielen in Brasilien – das auch eine Art Staatsstreich erlebt hat – stellt sich die Frage, wie viel Politik von einem Sportler erwartet werden kann, zumal von einem Athleten, der nicht der Gesellschaft entstammt, in der er für ein paar Jahre seinem Job nachgeht.

Gómez und Podolski haben das Problem für sich auf eine jeweils gute und glaubwürdige Weise gelöst: Beide signalisieren Sympathie mit denen, die unter Putsch und Putschfolgen zu leiden haben, zugleich tun beide nicht so, als stünden sie und ihre Berufsgruppe im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen.

Die Zukunft der Türkei liegt doch nicht an Nato-Stützpunkten, sondern auch im Fußball

Aber sie tun beide nicht so, als sei der Sport, der Fußball, die türkische Süper Lig unabhängig von dem, was in dem Land gerade passiert. Ob eine Orientierung der Türkei an Europa und die Europäische Union weiter stattfinden kann, hängt doch nicht nur an den Kooperationen von Universitäten, nicht nur an Verträgen, die von irgendwelchen Staatssekretären ausgehandelt werden und – hoffentlich – schon gar nicht an dem, wie mit Nato-Stützpunkten verfahren wird.

Flagge auf Facebook

Galatasarays Uefa-Cup-Sieg 2000, Beşiktaş' Einzug ins Viertelfinale dieses Wettbewerbs 2003, Galatasarays Auftreten in der Champions League – das waren bedeutendere Statements zur Verortung einer modernen Türkei als jedes noch so wichtige Communiqué nach einer Beitrittsverhandlungsrunde.

Der Unterschied ist: Weder Champions-League-Spiele noch Gómez’ Facebook-Eintrag verstehen sich als politische Äußerungen. Gómez, Podolski, Beşiktaş und Galatasaray agieren aber in einem Umfeld, in dem sie sich zurecht finden müssen. Podolski macht es subtil – mit einer Flagge auf Facebook.

Der mögliche Einwand, dass nicht einmal seine Klubkollegen Gómez’ Option des schnellen Wechsels in eine andere europäische Liga besitzen, ist ja richtig. Aber wenn Stars wie Gómez und Podolski Privilegien haben, dann ist es doch das Beste, wenn sie sie gut nutzen.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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