Kolumne Pressschlag: Die gemeine Murks-Theorie

Ist die Bundesliga so übel, wie Mario Gomez sagt, oder so fortschrittlich, wie Xabi Alonso meint? Gegensätzlicher könnten die Perspektiven kaum sein.

Mario Gomez gestikuliert angepisst

Der bekannteste Verfechter der Murks-Theorie: Mario Gomez Foto: dpa

Es ist auch in dieser Saison wieder sehr viel gesagt worden über den Fußball und die Bundesliga. Und manch einer glaubt ja, dass man mit dem Reden über den Fußball am besten gar nicht aufhören sollte. Der FC Bayern, ein konsequenter Vertreter dieses Glaubens, bietet mittlerweile ein eigenes 24-Stunden-TV-Programm an. Aber zwei Statements zum Zustand der Bundesliga fallen in dieser Saison doch heraus aus dem alltäglichen Gebrabbel, das sich so versendet.

Die Murks-Theorie von Mario Gomez und die Entdeckung des taktischen Reichtums durch Xabi Alonso. Gegensätzlicher könnten die Binnenperspektiven von zwei gestandenen Akteuren dieser Liga kaum sein. „Mehr Gemurkse als sonst was“, beklagte Gomez schon vor Wochen, habe er in der Bundesliga festgestellt. Viele Spiele seien „von Druck, Angst, Nervosität und Einfach-nur-den-Arsch-retten-wollen“ geprägt. Und Alonso verriet nun vor dem letzten Spieltag der Süddeutschen Zeitung, die taktische Experimentierlust in Deutschland sei größer denn je. Trainer wie Nagelsmann, Tuchel und Nouri seien eine absolute Bereicherung für den Fußball hierzulande, der europäischer und weniger deutsch werde.

Ein klarer Fall von Wahrnehmungsstörung? Nur wem von beiden aber ist sie zuzuschreiben? Nun haben Gomez und Alonso sehr Unterschiedliches erlebt diese Saison. Im Gegensatz zu Gomez war Alonso selten dabei, wenn auf beiden Seiten des Spielfeldes gemurkst wurde. Zum anderen liegen die Ansichten vielleicht weniger weit auseinander, als es scheint. Vielleicht haben gar beide recht. Die taktische Variabilität von Teams mit kleinem Etat – an dieser Stelle muss man Christian Streich vom SC Freiburg oder auch Maik Walpurgis vom FC Ingolstadt trotz des Abstiegs nennen – hat zu einer Nivellierung in der Liga geführt. Und darunter leidet das Distinktionsbestreben von Vereinen wie Schalke 04, Bayer Leverkusen oder eben von Gomez Team, dem VfL Wolfsburg.

Das Sehnen der finanzstärkeren Klubs, dass ihr Fußball immer ein kleines bisschen wenigstens auch nach Bayern München und Glamour aussehen soll, wird durch die Wirklichkeit kontrastiert, dass man auf dem Spielfeld kaum von Darmstadt 98 zu unterscheiden ist. Man vermag das gegnerische Spiel zu zerstören und hin und wieder gelingt auch mal ein Konter. Überfordert ist Schalke wie Darmstadt allerdings, wenn es ums Dominieren und Gestalten einer Partie geht.

So kann eine Partie zwischen zwei solchen Mannschaften schon zur Zumutung werden. Da hat Mario Gomez zweifellos etliches Beweismaterial aus dieser Saison in der Hand. Aber Murks ist eben nicht Murks. Selten sind zwei Absteigern wie Darmstadt und Ingolstadt so viele Sympathien zugeflogen. Sie haben sich auf Augenhöhe mit dem alten Adel der Bundesliga hochgemurkst. Einen wirklichen Distinktionsgewinn können neben dem FC Bayern und Dortmund nur die Mäzeneklubs aus Leipzig und Hoffenheim verbuchen.

In Wolfsburg und Leverkusen oder auf Schalke vermisst man dagegen Innovationskraft. Der Aufsteiger SC Freiburg, mit Platz sieben nun Europa-League-Kandidat, hat für einen Spottpreis die Suite mit Blick aufs Meer erhalten, die genannten anderen Klubs haben eine horrende Summe aufgebracht, um sich nun das Zimmer mit Blick auf die Straße zu teilen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.