Kolumne Rambazamba: Keine Ahnung – und doch gewonnen

7:1 gewann die deutsche Nationalmannschaft gegen die Seleção. Nirgendwo rechnete man mit solch einem hohen Halbfinal-Ergebnis. Außer in China.

100 Yuan auf Deutschland – China ist der Weltmeister bei Wetteinsätzen Bild: reuters

Wie so ziemlich der Rest der Welt – auch Peking kennt in diesen Tagen vor allem eins: Fußball. Überall hier in den Kneipen und Restaurants sind große Flachbildfernseher oder Leinwände aufgestellt, auf denen die Spiele aus Brasilien übertragen werden. Und das, trotz der dieses Mal wirklich ungünstigen Zeitzone.

Die Spiele werden nach chinesischer Zeit erst um 4 Uhr morgens angepfiffen. Trotzdem scheint es sich für viele Chinesen zu lohnen, den nächsten Tag völlig übermüdet zur Arbeit zu gehen oder gar gleich ganz blauzumachen. Denn so manch einer macht in diesen Fußballnächten ein Vermögen.

Den meisten Chinesen geht es bei der Fußball-WM nicht so sehr um die Leistungen der Spieler, sondern ganz allein ums Tippen. Kaum etwas begeistert das Land mehr als die Zockerei. Dabei hatte die noch immer regierende Kommunistische Partei nach ihrer Machtübernahme das Glücksspiel einst verboten.

Inzwischen darf aber wieder leidenschaftlich gewettet werden. Und zwar auf so ziemlich alles, was nicht niet- und nagelfest ist: Pferde, Hunde, Schnecken, selbst auf das Augenlid eines neugeborenen Pandabärchen, wann nämlich der Säugling zum ersten Mal die Augen öffnet. Nicht verwunderlich, dass diese Leidenschaft auch bei der Fußball-WM ausgelebt wird. China ist in dieser WM das Land mit den höchsten Wetteinsätzen.

Fifa-Ranking-Platz 103

Dabei hat China bei dieser WM nicht einmal eine eigene Nationalmannschaft. In der Geschichte schaffte es das bevölkerungsreichste Land der Welt gerade ein einziges Mal, sich für eine Weltmeisterschaft zu qualifizieren; 2002 war das bei der WM in Japan und Südkorea. Bereits in der Vorrunde flog das chinesische Team raus. Im weltweiten Fifa-Ranking belegt Chinas Team derzeit Platz 103.

Doch Geld kennt keinen Patriotismus. Daher wird eifrig auf andere Länder gesetzt. Getippt wird wild durcheinander. Und je abwegiger getippt wird, desto höher ist bekanntlich der Gewinn. Mit dem 1:7 beim Halbfinale Brasilien gegen Deutschland hat im Rest der Welt sicherlich keiner gerechnet. In China schon.

Wie eine Pekinger-Zeitung berichtet, ist eine 21-Jährige nach Abpfiff morgens um sechs chinesischer Zeit kreischend auf die Straße gerannt. Sie hatte genau auf dieses Ergebnis getippt. Bei 50 Yuan lag ihr Einsatz - über 21 000 Yuan hat sie gewonnen - das sind rund 2.500 Euro. Wie sie zugibt, hat sie von Fußball gar keine Ahnung.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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