Kolumne Right Trash: Stichwortgeber für die rechte Blase

Für rechte Netzaktivisten ist „Bild“ eine der wichtigsten Quellen. Umgekehrt spült die Zeitung oft Positionen von rechts in den Mainstream.

Bild-Chefredakteur Julian Reichelt

Der bei Rechten beliebte Twitterer Julian Reichelt Foto: dpa

Bild-Chef Julian Reichelt springt dem rechtsextremen Blog „Jouwatch“ zur Seite: Es geht um einen ironischen Schlagabtausch im Bundestag, den der Blog einfach zu einer Tatsachenbehauptung erklärt hat. Ein ZDF-Autor sieht darin ein Paradebeispiel für „Fake News“ durch Verzerren, das will der Bild-Chefredakteur aber nicht gelten lassen. Die aktuelle Episode zeigt mal wieder, wie sehr Reichelt und seine Zeitung ein rechtes Publikum inspirieren und sich von ihm inspirieren lassen.

Die Geschichte beginnt mit einem Schlagabtausch zwischen zwei Abgeordneten. „Wieviele von den 70 Millionen [Flüchtlingen weltweit] wollen Sie hier aufnehmen?“, hatte der CSU-Politiker Alexander Dobrindt im Parlament gefragt – Claudia Roth hatte geantwortet: „Alle, Herr Dobrindt!“ Die Antwort war nicht ernst gemeint, wie das ZDF recherchiert hat. „Jouwatch“ jedoch hatte es genau so dargestellt. Der Post ging in einschlägigen Kreisen herum. Reichelts ZDF-Bashing macht nun seinerseits auch die Runde in der rechten Twitterblase.

Die Idee zu dem Post hatten die Rechtsextremen offenbar von der Bild. Genauer gesagt vom Twitter-Account des Bild-Parlamentsbürochefs Ralf Schuler. Dieser hatte einen Screenshot des Bundestagsprotokolls verbreitet, der dann offensichtlich von dem rechten Blog direkt kopiert und für den eigenen Post hochgeladen wurde: Dort findet sich exakt dasselbe Bild mit demselben Ausschnitt und Verfärbungen. Und obwohl mehrere Personen Schuler darauf hinweisen, dass es sich um Ironie handeln muss, bleibt dieser stur: „Wo lesen Sie da Ironie?“

Schuler beharrt darauf, dass sein Tweet nur eine „nüchterne Dokumentation“ gewesen sei. Andererseits: Schuler zufolge führt der Zuzug von Asylsuchenden – anders als Einwanderung – zu Problemen in einem „Asyl-Land“. Die implizite Bewertung von Claudia Roths Aussage dürfte seinen Followern also durchaus deutlich sein.

Welt, Focus und Bild liefern Inhalte

Dass die Bild Stichwortgeber für die rechte Blase ist, ist nicht neu. Seit mehr als einem Jahr dokumentiert der Twitter-Account @DieRechteBlase jene Texte aus regulären Medien, die unter rechten Twitterern besonders häufig geteilt werden. Im ersten Jahr, zwischen April 2017 und April 2018, kamen so fast 2.000 Medientexte zusammen. Eine Hälfte stammt dabei von drei Medien: Welt, Focus und Bild. Die andere verteilt sich auf zahlreiche regionale, überregionale und internationale Medien. Thematisch ist das nicht überraschend, liefert die Bild doch zuverlässig Kriminalitätsmeldungen mit prominenter Platzierung der Täterherkunft.

Auch anderswo sieht man, wie sehr sich rechte Netzaktivisten die Bild als Vorbild sehen: Beim Relaunch im vergangenen Jahr übernahm die rechtsextreme Seite „PI News“ einen neuen Look, der Bild.de zum verwechseln ähnlich sieht. Gemeinsam mit der ähnlichen Themensetzung gibt es immer wieder Situationen, in denen es flüchtigen BesucherInnen gar nicht klar sein könnte, ob sie bei Deutschlands reichweitenstärksten Redaktion oder einem rechtsextremen Blog gelandet sind.

Rechte Parole auf der Bild-Titelseite

Der Kreis schließt sich dagegen, wenn die Bild rechte Positionen in den Mainstream holt. Unlängst übernahm sie den inhaltlichen Rahmen, dass Abschiebung eine Möglichkeit sei, Gewaltverbrechen zu verhindern oder zu bestrafen. In mehreren Titelseiten fordert sie entweder die Abschiebung von Straftätern – statt ihrer Bestrafung – oder insinuiert, dass durch eine frühere Abschiebung eine Tat hätte verhindert werden können, obwohl Abschiebestatus und Kriminalität nicht korrelieren. Gerade letzterer Punkt ist eine Parole, die seit dem vergangenen Herbst immer wieder bei rechten Aktivisten auftaucht. Ende Mai erschien sie fast wortgleich auf der Bild-Titelseite.

Und Julian Reichelt? Postet nicht nur Tweets, die bei rechten Twitterern für Beifall sorgen, sondern retweetet auch schon mal eindeutig rechte Twitteraccounts. Wie seine Zeitung ist auch er zugleich immer wieder Lautsprecher und Stichwortgeber für Deutschlands Rechte.

Es sei nicht die Aufgabe, „Claudia Roth vor sich selbst zu schützen“, twittert der Bild-Chef zu aktuellen Fall. Tatsächlich ist es aber sehr wohl die Aufgabe von Medien, rechten Verschwörungstheorien Fakten entgegenzustellen – in Zeiten wie jetzt, wo auf Basis solcher Verschwörungstheorien auch Politik gemacht wird, ist das geradezu geboten. Anders als Bild-Redakteur Schuler, der bei Claudia Roth nicht nachfragte, wie sie den Satz gemeint hatte, hat es aber das ZDF getan. Wo Bild die Vorlage für ein Freidrehen der Rechten gegen eine ihrer Hassfiguren lieferte, lieferte ZDF den Kontext.

Und statt die Verbesserung der Informationslage zu loben, kritisiert Reichelt, dass das ZDF überhaupt recherchiert.

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Lalon Sander ist Datenjournalist. Sein Schwerpunkt liegt in der Aufbereitung von Datensätzen zum Klimawandel.

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