Kolumne „So nicht“: Einmal Genmais mit Chlorhuhn, bitte!

Anne Will ließ ihre Sendung ausfallen und verhandelt ihre TTIP-Sendung lieber im Hinterzimmer. Wir haben die geheimen Dokumente dazu.

Chemie und Gentechnik: Jorgo Riss, Greenpeace-Europa Chef, präsentiert die geleakten TTIP-Dokumente Foto: dpa

Am Sonntag fiel die Sendung Anne Will aus. Ihre dunklen Ahnungen, sie könnte kein Gesprächsthema haben, weil sie nicht schon wieder über die AfD reden wollte, wurden von der noch dunkleren Realität übertroffen: Greenpeace stellte die TTIP-Leaks erst am Montag ins Netz. Ahnte die Talkshowmasterin, dass sich Sigmar Gabriel erkälten und seine Talkshow-Teilnahme absagen würde? ARD-Leaks enthüllen: Die Gründe sind noch dunkler als unsere dunkelsten Ahnungen. Die Talkrunde, von der Millionen Menschen betroffen sind, fand im Geheimen statt. In den Zuschauerraum durften nur Leute, die unterschrieben hatten, dass sie über das Gesehene und Gehörte nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern sprechen dürfen.

Wir haben die Dokumente. Lesen sie das der taz zugespielte ARD-Leak aus der geheimen Anne Will Talkshow.

Anne Will: Herzlich Willkommen. Schön, dass sie da sind. Unser Thema: Ein Mal Genmais mit Chlorhuhn, bitte! – Wollen uns die USA vergiften? Darüber diskutieren heute: Die Süddeutsche Zeitung, Greenpeace, Die Grünen, ein Chemtrail-Aktivist. 240 Seiten geheime Unterlagen wurden enthüllt. Im Vergleich zu den 2,6 Terrabyte schweren Panama Papers mutet das eher wie Peanuts an. Und da wären wir schon beim Stichwort: Es geht um die Erdnuss.

Wenn es nach den USA geht, sollen wir Europäer künftig unsere sowieso schon erdnussgetränkten Brotaufstriche mit noch mehr dick Erdnuss aus den USA bestreichen. Im Gegenzug sollen dafür ein paar Mercedese mehr an die Ostküste geschickt werden dürfen. Was die geheimen TTIP-Papiere enthüllen, übertrifft alle Befürchtungen: Die USA setzen die EU extrem unter Druck. Wie groß ist der Druck?

Greenpeace: Also ich kann darüber nicht sprechen, weil die Dokumente erst am Montag veröffentlicht werden. Nur so viel: Die USA machen extrem großen Druck.

Das ist bei Verhandlungen über ein derart großes Abkommen aber doch irgendwie normal, oder?

SZ: Nur so viel: Die Realität der TTIP-Verhandlungen übertrifft die dunklen Ahnungen noch.

Grüne: Es war ein demokratieunwürdiger Zustand. Wir hatten einen Maulkorb um.

Verstehe. Aber über was genau werden wir denn jetzt reden?

Greenpeace: Der Albtraum könnte schon bald Realität werden.

Wie sieht dieser Albtraum aus?

SZ: Die offiziöse Lügerei. Die Heimlichkeit ist alarmierend.

Grüne: Die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf zu wissen, was in Hinterzimmern verhandelt wird. Hier wird nicht verhandelt, sondern gehebelt.

?

Grüne: Die Demokratie wird ausgehebelt.

Verstehe. Aber noch wird doch verhandelt?

SZ: Wenn Sie mich mal ausreden lassen, würden Sie es auch verstehen.

Bitte sehr.

SZ: Die TTIP-Papiere zeigen, dass die Befürchtungen der Gegner Substanz haben.

Woraus besteht denn diese Substanz?

Chemtrail-Aktivist: Chemtrails.

Greenpeace: Chemie und Gentechnik.

Grüne: Die Verhandlungen gestalten sich schwieriger als gedacht.

Greenpeace: Die USA üben enormen Druck aus.

Bitte, die Herren. Wenn Sie alle durcheinander reden, versteht niemand mehr, was sie sagen wollen.

SZ: Der US-Starrsinn wird verhindern, dass verhandelt wird.

Gucken wir uns mal an, wie das Netz reagiert. Twitterer Garion Coyote sagt: „Schauen wir uns die #TTIP-Papiere mal an. Und dann sollte jeder einzelne Ami-Konzern dafür büßen, für das, was er uns antun wollte!“ Twitterer Hans the German retweetete: „Mir war klar, d. die Ami-Konzerne uns d. ganze Zeit betrügen wollten + d. Lobbyisten gelogen h.n. Jetzt haben wir es schwarz auf weiß!“ Twitterer Frankn Blu meint: „Interessant, dass #USMedien wie WaPo o. NYT nix über #TTIPleaksberichten…mit keinem Wort“. Was sagen Sie dazu?

Grüne: Der Druck der USA auf die EU ist stärker als gedacht.

Greenpeace: TTIP rüttelt an den Fundamenten des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes.

Aber rütteln heißt ja noch nicht stürzen, oder?

Chemtrail-Aktivist: Es geht nicht ums Rütteln. Es geht um die USA. Die USA wollen uns vergiften.

Wir haben jetzt hier per Video zugeschaltet Bono, Sänger der Band U2. Herr Vox, cui bono TTIP?

I can't believe the news today. I can't close my eyes and make it go away.

Sunday, leaking sunday. Sunday leaking sunday. And the battles just begun.

Danke, Herr Vox für dieses Statement. Das letzte Wort hat heute der Chemtrail-Aktivist.

Chemtrail-Aktivist: Kommen sie zur Demo. Oder zeigen sie ihren Protest lautstark vor der Ami-Botschaft oder McDoof. Die USA wollen uns alle vergiften.

Danke sehr. Und jetzt zu den Tagesthemen und zu Thomas Roth. Haben Sie neue Erkenntnisse zu TTIP?

Thomas Roth: Ja. Die USA übt stärker und weitreichender Druck auf die EU aus, was die Verhandlungen in die Länge ziehen dürfte.

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Seit 2012 Redakteurin | taz am Wochenende. Seit 2008 bei der taz als Meinungs, - Kultur-, Schwerpunkt- und Online-Redakteurin, Veranstaltungskuratorin, Kolumnistin, WM-Korrespondentin, Messenreporterin, Rezensentin und Autorin. Ansonsten ist ihr Typ vor allem als Moderatorin von Literatur-, Gesellschafts- und Politikpodien gefragt. Manche meinen, sie kann einfach moderieren. Sie meint: "Meinungen hab ich selbst genug." Sie hat Religions- und Kulturwissenschaften sowie Südosteuropäische Geschichte zu Ende studiert, ist Herausgeberin der „Jungle World“, war Redakteurin der „Sport-BZ“, Mitgründerin der Hate Poetry und Mitinitiatorin von #FreeDeniz. Sie hat diverse Petitionen unterschrieben, aber noch nie eine Lebensversicherung.

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