Kolumne So nicht: „Es ist Zeit“

Eine Autobahnfahrt von Berlin nach Kroatien offenbart: Manch ein Slogan erfreut sich internationaler Beliebtheit. Eine Werbeschild-Analyse.

Blick auf eine Autobahnbrücke

Entlang der kroatischen Autobahn wirbt die Opposition mit „Es wird Zeit“ für einen Politikwechsel Foto: Doris Akrap

Es ist 10 Uhr, ein Sonntag in Deutschland, Berlin. Überall sagen die Wahlplakate „Es ist Zeit“ und „Warten wir nicht länger“. Alles klar. Nichts wie weg. Wir nehmen die A 13 Richtung Ausland. Schon in Dresden müssen wir aber wieder runter von der Autobahn. Ein Briefkasten wird gebraucht, um den Briefwahlumschlag einzuschmeißen. In Dresden ist der Wahlplakatdschungel dichter als in Kreuzberg. Zwischen all denen, die uns sagen: „Es ist Zeit“ und „Warten wir nicht länger“, was wir ja auch finden, wirbt zwischendrin wenigstens ein Plakat für was anderes:„weihnachtsgolfen.de“.

Es ist Zeit. Warten wir nicht länger. Zurück auf die Autobahn. Dass wir schon im Ausland sind, erkennt man nicht unbedingt an der Landschaft. Die Umwelt sieht aus wie die Fortsetzung von Brandenburg. Vielleicht ist das der Grund, warum entlang der kompletten Autobahn ausschließlich der tschechische Staat für sich wirbt. Alle 100 Meter ist eine riesige tschechische Nationalflagge auf den Werbetafeln zu sehen – nichts sonst. Kurz vor Österreich sind einige der Riesenwerbetafeln dann einfach nur noch weiß. „Zwischen Umwelt und Wirtschaft gehört kein oder“ plakatieren die Grünen in Deutschland. In Tschechien scheint zwischen Umwelt und Nation keine Wirtschaft zu gehören.

Dort, wo man die Vignette für Österreich kaufen muss, hört die tschechische Flaggenwerbung auf und über dem Kebab-Pizza-Restaurant leuchten kroatische, serbische, ungarische, deutsche und andere Flaggen. Entlang der Landstraße, in die die Autobahn mündet, tauchen endlich wieder verschiedene Werbetafeln auf. „Es ist Zeit“ wird auch hier behauptet. Allerdings nicht mit dem Foto von Martin Schulz, sondern mit dem von Sebastian Kurz.

Am Abend läuft das Basketballfinale zwischen Slowenien und Serbien in Istanbul. Wir schaffen es aber nicht mehr rechtzeitig vor Beginn nach Slowenien und halten in Graz. In der randvollen Jugo-Bar „Kult Scena“ bedient ein Bosnier Serben und Kroaten, die das Spiel mit großer Leidenschaft auf der Leinwand verfolgen. Keine einzige Nationalflagge der Länder des ehemaligen Jugoslawiens ist zu sehen, dafür etliche bayerische Flaggen, die wohl Werbung für das Oktoberfest machen wollen.

Die Mehrheit der Zuschauer hier sind Serben und für Serbien. Aber die Sensation passiert: Slowenien gewinnt. Und die nächste Sensation passiert: Unter der bayerischen Flagge applaudiert die ganze Kneipe sportlich und aus ehrlichem Respekt dem Gewinner – jene Leute, die vorher jede internationale Meisterschaft im Fluchen und Verteufeln des Gegners bestritten hätten.

Es ist Zeit. Warten wir nicht länger. Wir müssen an die kroatische Adria. Über den Grenzübergang Spielfeld, dort, wo – guckt man genau hin – auf der Autobahnspur noch die Buchstaben YU ganz blass zu sehen sind. Ab hier wird Euro Äuro ausgesprochen. Ab jetzt werben Plakate mit dem Spruch: „Es ist Zeit“. Aber nicht mit dem Foto von Martin Schulz oder Sebastian Kurz, sondern mit dem Foto des amtierenden kroatischen Präsidenten. Dieser wirbt aber nicht für sich selbst. Es ist die Opposition, die mit diesem Spruch den Rücktritt des Präsidenten fordert.

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