Kolumne Über Ball und die Welt: Aufstieg in die Regionalismusliga

Würde Katalonien unabhängig, könnte das auch den Ausschluss des FC Barcelona aus der Primera División bedeuten. Eine kluge Option.

Barcelonas Stürmer Messi und Neymar klatschen ab.

Barcelonas Stürmer Messi und Neymar klatschen ab. Wie lange jubeln sie noch in der Primera División? Foto: ap

Spanien lohnt sich nicht mehr, muss man fußballerisch konstatieren. Katalonien ist die bessere Heimat für einen Weltklub. Ende September wurde nämlich in der spanischen Noch-Provinz ein neues Regionalparlament gewählt, und der dort zum Ausdruck gekommene Wille lautet: Nix wie weg hier.

Einem drohenden Rauswurf aus der Primera División sieht der FC Barcelona bemerkenswert gelassen entgegen. Aber verdankt er seine Größe nicht der spanischen Liga? Ja, tut er. Schon bei der ersten spanischen Meisterschaft 1910 hatte der FC Barcelona gewonnen – und zwar gegen Real Madrid. Und der regelmäßige Clásico, bei dem Barça gegen Real spielt, dient doch auch der steten Neubegründung katalanischer Fußballgröße.

Der FC Barcelona ist seinem Selbstverständnis nach mehr als ein Klub, „més que un club“. Vielleicht aber ist er auch mehr als eine Stadt, eine Liga, ein Land. Schon wenn man sich den Wundersturm Messi, Neymar und Suárez anschaut, ahnt man die interkontinentale Dimension: Ein Argentinier, ein Brasilianer und ein Uruguayer machen einen katalanischen Klub – der formal zu Spanien zählt, aber bald in der französischen Liga spielen könnte – in der europäischen Champions League zum Weltverein.

Pep Guardiola, der sehr viel dazu beigetragen hat, dass der FC Barcelona zu dem überragenden Klub der vergangenen Jahre wurde, ist überzeugter katalanischer Nationalist, er hatte sogar auf der Wahlliste der CDC, des Demokratischen Pakts Kataloniens, kandidiert. Wenn hierzulande aber über Guardiolas politische Haltung berichtet wird, dann meist so, als könne man den Fußball scharf von der Politik trennen: Das eine, das Politische, sei Guardiolas Privatmeinung; das andere aber, das Fußballerische, das sei sein Geschäft und folglich ernster zu nehmen.

Doch der Regionalismus ist zumindest nach Lesart führender Barça-Strategen (zu denen lange genug Pep Guardiola gehörte) kein provinzieller Rückschritt, sondern strategisch eine kluge fußballerische Option.

Sechs Argumente für Barças Regionalismus

Manuel Vázquez Montalbán

Der FC Barcelona würde zu einer „symbolischen und nicht bewaffneten katalanischen Armee“

Und sie haben gute Gründe: Mit Eintritt in die Ligue 1 würde, erstens, ein neuer Markt, der französische, intensiver erschlossen, als es derzeit möglich ist.

Zweitens: Ökonomisch, also vor allem Fernsehrechte und Merchandisinggeschäft betreffend, würde der spanische Markt nicht verlassen; hier leben weiterhin viele Fans.

Drittens könnte, indem der spanische Markt – weil zu eng – verlassen wird, auf ganz andere Geschäftsfelder spekuliert werden: das südamerikanische Geschäft sowieso, auch in Asien (China, Japan, Indien) ist ein weniger national an die Dauerkonkurrenz mit Real gekoppelter FC Barça interessanter und kann freier agieren.

Viertens: Der Ligaübertritt eines der besten Klubs der Welt dürfte einen medialen Aufmerksamkeitsschub bedeuten, der die Marketingabteilung von Real Madrid in den königlichen Teppich beißen lassen dürfte.

Das fünfte Argument hat Manuel Vázquez Montalbán formuliert, der bekannte Schriftsteller: Barça würde zu einer „symbolischen und nicht bewaffneten katalanischen Armee“; das ist nicht martialisch zu verstehen, sondern höchster Stand staatswissenschaftlicher Forschung: Wenn aus Katalonien eine Staatsnation, unabhängig von Spanien, werden soll, bedarf es einiger Voraussetzungen: ein definiertes Territorium, eine Bevölkerung, eine Armee. Und, wie man seit einigen Jahrzehnten weiß, auch eines sportlichen Aushängeschildes. Das hat man bislang meist mit einer Nationalmannschaft gleichgesetzt, doch unter den Bedingungen des globalisierten Sports dürfte der FC Barcelona diese Funktion noch besser ausfüllen.

Das sechste Argument für klugen fußballerischen Regionalismus lautet: Das erfolgreiche Motto, man sei mehr als ein Klub, lässt sich, wenn der Verein wieder mal (wie schon während der Franco-Zeit) zum politischen Symbol aufsteigt, kaum noch toppen. Man könnte auch sagen: Fußball ist mehr als nur Politik.

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Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte

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