Kolumne Unbeliebt: Frei vom Psycho-Geschrubbel

Sie waren im Maschinenraum der SPD: Kajo Wasserhövel und Svenja Hinrichs. Seit dem Totalschaden beraten sie nur noch von außen. Wie ist es nach dem Ausstieg?

Elf Jahre lang haben Kajo Wasserhövel und Svenja Hinrichs gemeinsam in der SPD gearbeitet, tief in den Apparaten von Partei und Regierung. Man kann sie sich in dieser Zeit wie Maschinisten eines Schiffes vorstellen, die schrauben, überbrücken, abdichten, Druck machen. Sie haben die SPD in Schröders Richtung gedrückt – und in Münteferings, dessen Bundesgeschäftsführer und Staatssekretär Wasserhövel war. Und Hinrichs war Wasserhövels engste Mitarbeiterin.

1998 gewannen sie die Wahl, 2002 auch. 2005 gab es so eine Art Wassereinbruch, aber dann reichte es doch zur großen Koalition. 2009 nicht mehr: Totalschaden. Seither haben sie eine eigene Agentur für Strategieberatung. Die Frage ist, was mit solchen Leuten passiert, wenn sie aussteigen.

Ich spaziere die Nürnberger Straße runter, nicht weit vom Kurfürstendamm ist das. Die 24a ist ein Eckhaus, Altbau. Wäre Müntefering nicht so alt, würde man vermuten, das von hier aus im Geheimen ein Comeback geplant wird. Man stünde an der Haustür, und der junge Mann, der einen mit rein nimmt, wäre nicht zufällig da.

Aber es ist vorbei und der junge Mann ist nur Christian Schuh, ehemals SPD-Mitarbeiter, er schleppt ein Paket laktosefreie Milch hoch, die Hinrichs oben an der Espressomaschine aufbricht, während Wasserhövel mich durchs Büro führt; er reicht mir lässig eine Serviette, damit ich mir die schwarze Farbe aus dem Gesicht wischen kann, die ich mir irgendwie dorthin geschmiert habe. Gesicht gut, Milchkaffee gut, wir setzen uns ins Eckzimmer.

Lieber Elefant als Hai

Ihre Agentur heißt Elephantlogic, denn das Image des Elefanten ist kuscheliger als das von Müntes alten Machtklempnern. „Wir wollten uns jedenfalls nicht sharklogic nennen“, sagt Wasserhövel, was einiges über seine frühere Tätigkeit erzählt. Aber er lacht gelöst, Hinrichs ebenfalls.

Über die alte Zeit lachen, über sich, das ist viel. Ich frage mich, ob ich das so gut könnte.

Sie arbeiten für eine Immobilienfirma, die IG Chemie, für Vattenfall. Und für die Bayern-SPD, die endlich der CSU gefährlich werden will. Flug nach München, Flug zurück, rein, raus. „Wir sind jetzt außerhalb der Maschinerie“, sagt Wasserhövel. „Die Struktur, die Apparate, wenn man da raus ist, merkt man erst, was die bedeuten“, sagt Hinrichs. Sie bedeuten: dass man sich unbeliebt machen muss. Mit einem Berater ist der Kunde dagegen zufrieden. „Oder er kündigt den Vertrag“, sagt Wasserhövel. „Das ganze Politpsycho-Geschrubbel gibt es jetzt nicht mehr.“

Sprint im Honigglas

2008 hatte ich über ihn geschrieben, wir saßen zu dritt im Bauch des Willy-Brandt-Hauses, Hinrichs, erste Frau auf einem Abteilungsleiterposten der SPD-Zentrale, Wasserhövel Leiter eines aussichtslosen Wahlkampfs. Sie rauchten Selbstgedrehte und wirkten wie Geschwister, die für einen alten Vater kämpfen.

Ich frage nach damals. Wasserhövel: „Es war schon ein Behauptungskampf.“ Hinrichs: „Man muss immer stark sein, immer selbstsicher sein. Das war wie ein Sprint im Honigglas.“

Sie rauchen jetzt Selbstgedrehte wie früher. Wir kommen auf Politik, Strategie, Macht, es dampft und zischt, und wäre das hier ein Schlachtschiff, würde Wasserhövel Hinrichs bitten, die Torpedos klarzumachen. Aber es ist nur die Espressomaschine, und Svenja Hinrichs bringt drei frische Becher laktosefreien Milchkaffee in das helle, freundliche Eckzimmer.

So ein Ausstieg kann schon befreiend sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.