Kolumne Vuvuzela 14: Anti-Neoliberaler WM-Traum

Puh! Wir sind weiter in diesem erbarmungslosen Betrieb! Und wir freuen uns. Aber wer denkt jetzt an die vielen tollen Teams, für die die WM schon nach drei Spielen vorbei ist?

Puh! Wir sind weiter! Und wir freuen uns, klar, dürfen wir auch, ein bisschen jedenfalls und nicht übertrieben! Aber wer denkt jetzt an die vielen tollen Teams, für die die WM schon nach drei Spielen vorbei ist? Für Südafrika gibt's Mitleid, vielleicht auch für die anderen afrikanischen Teams (außer für Algerien, die sind wohl nicht „afrikanisch„ genug). Und für Frankreich und Italien gibt's Hohn und Spott („Adieu les Bleus“, „Ciao Italia“). Der Rest? Schon vergessen!

Dabei haben sich auch die Griechen monatelang auf das Ereignis vorbereitet. Auch die Serben waren stolz, ihr Land zu vertreten. Auch die Australier hatten sich auf die WM gefreut. Selbst die Nordkoreaner hatten sicher das Gefühl: Sie gehören dazu.

Aber der erbarmungslose Betrieb, die perfekt geölte Fifa-WM-Fußball-Business-Maschine lässt solche Gedanken nicht zu, will sie nicht zulassen. Es zählt nur das „Weiter-Immer-Weiter“ (Oliver Kahn, jetzt 41). Und diese neoliberale Auslese geht ja wirklich gnadenlos weiter: In sozial-darwinistisch-patriarchaler Manier müssen nun immer mehr MANNschaften heim, bis zuletzt nur noch einer übrig ist – der „Beste“, der „Stärkste“, der „WeltMEISTER“.

Die Vermarktung der Spiele, das Sponsoring (multinationale Konzern wie der US-Zuckerbrause-Hersteller Coca-Cola!), die unverhohlene Rede vom „Marktwert der Spieler“, das SpielSYSTEM – ganz klar: Die WM ist kein fröhliches Fest des Sports, des Friedens und der Völkerverständigung. Die WM ist eine kapitalistisch-neoliberale Veranstaltung (mit schlimmer Klima-Bilanz, über die die HERREN von der Fifa geflissentlich schweigen)!

Wäre es nicht viel schöner, die besten Spieler (und SpielerInnen!) der Welt um des Spielens willen spielen zu lassen, um am Ende allen den Pokal zu geben? Ohne diesen permanenten Leistungszwang müsste auch keiner mehr lügen wie der Brasilianer Luis Fabiano (29), keiner mehr schlagen wie der Spanier David Villa (28) – und müsste keiner Morddrohungen fürchten wie der Nigerianer Sani Kaita (24). Überhaupt, es gebe keine GEGENspieler mehr, sondern nur MITspieler. Und keinen übertriebenen Nationalismus: Dass ein guter Fußball blühe wie ein anderes gute (Fußball-)Land!

Akademische Zyniker werden sagen: „Es gibt keinen richtigen Fußball im Falschen.“ Aber: Yes, we can! Eine andere Welt ist möglich - und eine andere WELTmeisterschaft ist auch möglich! Wir müssen nur den Mut zum Träumen haben - und zum Friedlich-Dafür-Streiten!

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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