Kolumne Vuvuzela 5: Not-Korea-Hilfe jetzt!

Diktator Kim Jong-il nimmt Sport nicht sportlich, macht daraus Ideologie. Nun könnte er Unglücks-Keeper Ri Myong-guk (23) und seinen Jungs Verrat vorwerfen.

Keine Spur von Samba-Zamba! Brasi-Bräsigs (ältestes WM-Team, Durchschnittalter 28,61) spielen schlecht, Trainer Farblos Dummga (46) wird nach Glücks-2:0 arrogant, nimmt Kaka (28) raus. Trotzdem fertigen sie hinterhältig die süßen Nordkoreaner mit 2:1 ab. Jetzt fragt die ganze Welt: Was passiert mit denen?

Zwar ist Nordkorea eindeutig Halbzeit-Meister der Herzen und Fair-Play-Meister der Welt (keine Karten, so gut wie keine Fouls). Aber: „Für Weltmeister der Herzen kann ich mir nix kaufen“, denkt der irre Diktator Kim Jong-il (69). Denn in Nordkorea (offiziell: „Demokratische Volksrepublik Korea“, 25 Millionen Einwohner) gibt es keine Menschen- und keine Übertragungsrechte, nur Juche-Ideologie („Korea ist Mittelpunkt der Welt“) und Songun-Ideologie („Atombombe ist Mittelpunkt Koreas“). Diktator Kim Jong-il nimmt Sport nicht sportlich, macht daraus Ideologie. Schon vor der WM verlautbarte die staatliche Nachrichtenagentur KCNA in irrem Verlautbarungs-Sprech (jetzt bitte durchhalten):

„Die Geschichte der Juche-orientierten Körperkultur und des Juche-orientierten Sports der DVRK leuchtet noch brillanter unter der erfahrenen und erprobten Führung Kim Jong-ils. Er hat die Juche-basierende Körperkultur und den Juche-basierenden Sport auf den Weg des ständigen sprunghaften Fortschritts auf der Grundlage der gründlichen Verteidigung, Verkörperung und Weiterentwicklung der sportlichen Ideen und Leistungen des Präsidenten geführt.“

Puh! Klar ist: Wer so redet, hat überhaupt keine Tasse im Schrank. Klar ist auch: Kim-Jong-il könnte Unglücks-Keeper Ri Myong-guk (23) und seinen Jungs Verrat vorwerfen.

Blick zurück: 1966 (Wembley-Tor!), Nordkoreas erste WM. Papa-Diktator Kim Il-sung (jetzt tot) befiehlt seinen Spielern revolutionäres 0-10-0-System: „Bei uns gibt es keine Klassen, alle spielen alles!“ Nordkorea besiegt Italo-Gangster, kommt sensationell ins Viertelfinale, verliert da nur knapp gegen Portugal (2:3). Aber danach werden viele Spieler verhaftet, kommen für viele Jahre ins Arbeitslager. Droht den heutigen Kicker das gleiche Schicksal?

Auch Experten warnen vor dem Vorrunden-Aus: „Aus menschenrechtlichen Gründen muss man Nordkorea unterstützen. Wenn die Mannschaft frühzeitig ausscheidet, droht ihr das Straflager – mit Zwangsarbeit, ideologischer Umerziehung und dem Nationalgericht Kein-Reis“, sagt taz-Expertin Doris Akrap (35).

Während sich die ganze Welt über die Vuvuzela-Tröten (120-160 Dezibel) und den Hitler-Sender ZDF und seine Moderatoren Katrin Müller-Hohenstein (44, „innerer Reichsparteitag“) und Béla Réthy (53, „Sturmführer“) aufregt, haben einige Hamburger Fans das Problem Not-Korea erkannt. Sie riefen beim Public Viewing auf dem Heiligen-Geist-Feld zum Flash-Mob („Blitz-Pöbel“, meint: Lustig-Spontan-Demo) auf, wollten „stellvertretend für ein verarschtes, gequältes und unterdrücktes Volk“ jubeln. Vorbildlich!

Deshalb, lieber Elfen-Didi (32), lieber Porto-Ronni (25): Schickt die Brasi-Bräsigs nach Hause! Aber: Wollt ihr, dass euretwegen Menschen ins Lager kommen? Wollt ihr euch selbst und diese weltmeisterliche Weltmeisterschaft mit soviel Schuld belasten? Bitte, bitte zeigt Größe und Mitgefühl! Bitte, bitte lasst die Nokos gewinnen! Es ist doch nur Fußball!

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Von Juli 2007 bis April 2015 bei der taz. Autor und Besonderer Redakteur für Aufgaben (Sonderprojekte, Seite Eins u.a.). Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik 2011. „Journalist des Jahres“ (Sonderpreis) 2014 mit „Hate Poetry“. Autor des Buches „Taksim ist überall“ (Edition Nautilus, 2014). Wechselte danach zur Tageszeitung Die Welt.

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