Kolumne Wir retten die Welt: ÖkoBioFair ist großer Mist

Warum hat der Hörr Ökoredaktör mal wieder nicht über die Mängel bei Fairtrade geschrieben? Etwa, weil es nicht ins Weltbild passt?

Ob Fairtrade-Bauern tatsächlich besser verdienen – wer weiß das schon so ganz genau? Bild: ap

Ich sitze am Frühstückstisch unserer WG und starre in meinen politisch korrekten Kaffee. Mein Mitbewohner XY zitiert mit leicht gönnerhaftem Unterton einen Artikel aus der Zeitung, die nicht meine Arbeitgeberin ist. Demnach ist der Trade offenbar nicht so fair, wie ich es mir wünschen würde.

Forscher der School of Oriental and African Studies in London haben festgestellt, dass Arbeiter in herkömmlichen Betrieben mehr fairdienen als auf Fairtrade-Plantagen. Da stecken die Besitzer den Mehrwert ein und geben nichts an ihre Tagelöhner weiter.

Ich bin so angefressen wie das Mohnbrötchen auf meinem Teller. Denn ich habe einen Siegel-Fimmel. Bio und Fairtrade müssen mindestens sein. Ich würde wahrscheinlich dafür zahlen, dass Rinder beim Schlachten ihre Lieblingssinfonie hören dürfen. Gibt aber kein Siegel dafür.

Sofort setzt eine dufte WG-Debatte darüber ein, ob der Siegel-Wahn nicht großer Mist ist. Ja, warum hat denn der Hörr Ökoredaktör nicht über die Mängel bei Faitrade geschrieben, werde ich gefragt? Etwa, weil es nicht ins Weltbild passt, hä?

Ich ziehe mich argumentativ auf eine schwer zugängliche Metaebene zurück und referiere über sensationslüsterne Medien, die über jedes Ökobashing-Stöckchen hüpfen, das ihnen irgendeine gewissenlose PR-Agentur hinhält. „Verpackt als Pseudostudie von wirtschaftlich abhängigen Drittmitteluniversitäten“, schließe ich.

Wegen Totschlagargumenten zum Küchewischen verurteilt

Wegen dieser Totschlagargumente werde ich zum Küchewischen verurteilt. Zwei Stunden später rauscht der Wischmopp über den Boden, ein sehr meditatives Geräusch. Ich hasse diese Idiotenjournalisten, die erst die Ökodiktatur herbeibehaupten, nur um zwei Sätze später die Menschheit von eben diesem Joch zu befreien. Meist sind es zornige Männer, die das Windrad vor ihrem Landsitz stört. Wenn diese Typen Studien lesen, nach denen Bioessen oder Fairtrade oder Energiewende nichts bringt, dann danken sie Gott auf Knien dafür.

Soll ich die Spinnen im Eck wegsaugen? Überlege ich gerade, da kommt mir folgender Gedanke: Jeder Feld-Wald-und-Wiesen-Weltkonzern macht heute einen auf öko. In jedem Discounter gibt es bald Fairtrade-Pizza. Biobananen werden mit Flugzeugen um den Globus geschickt. Die Lösung aller Probleme scheint grünes, soziales Wachstum zu sein. Selbst Obama spricht von Green Growth und lässt ganze Landstriche kaputtfracken. Öko, Nachhaltigkeit, ethisches Unternehmertum, Energiewende, all diese Begriffe versinken in Beliebigkeit. Öko wird zum Feigenblatt. Oder ist genau das der Fehlschluss?

Sollen wir auf eine Art reine Öko-Lehre pochen? Oder realistisch sein und auch die Schritt für Schritt mitnehmen, die sich wieder nach Glühbirnen sehnen? Eine eindeutige Antwort gibt es nicht. Nur die: Kritik am Greenwashing sollte für Ökos erste Bürgerpflicht sein. Wenn Fairtrade zum Ablasshandel verkommen sollte, dann muss das angeprangert werden. Aber die Idee, dass Menschen auch anderswo für ihre Arbeit fair bezahlt werden, ist weiterhin richtig.

Ich lege den Mopp zur Seite und lese mir diese Fairtrade-Studie im Original durch. Sie hat Hand und Fuß, lässt sich aber nicht als Generalargument gegen einen gerechteren Welthandel lesen. Mitwohner XY kommt in die Küche und fragt, warum ich so bedröppelt gucke. „Öko, Fairtrade, alles scheiße!“, nuschel ich. „Alles in Ordnung?“, fragt er besorgt. „Brauchst du vielleicht nen Kaffee?“

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Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.

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