Kolumne Wir retten die Welt: Die Formel E geht nicht auf

Das Elektroauto war schon mal der Renner – vor über hundert Jahren. Aber gegen die stinkenden Benziner blieb es auf der Strecke.

Sieht doch ganz flott aus, diese Formel E. Bild: imago/imaginechina

Der 29. April 1899. Ein kühler Tag in Achères bei Paris, die Straße ist klatschnass. Camille Jenatzy, belgischer Rennfahrer, rothaarig-bärtiger Teufel, zieht die Kapitänsmütze tief ins Gesicht. Hoch aufgerichtet ragt er aus seinem Fahrzeug heraus wie der Dirigent im Orchestergraben. Nur die Beine stecken in dem kuriosen Gefährt – halb Seifenkiste, halb Torpedo. Es ist ein Elektroauto der Compagnie Internationale des Transports Électriques. Mit ihm fährt der rote Teufel an diesem Tag als erster Mensch schneller als 100 Stundenkilometer. Weltrekord! Riesenjubel!

Das Elektroauto ist Ende des 19. Jahrhunderts der elegantere und schnellere Antrieb. Benziner sind ruckelnde, stinkende Monster, die nur mit großer Muskelkraft per Kurbel angeworfen werden können. Schwarze Rauchwolken, knallende Zündgeräusche und kreischende Zahnräder begleiten ihren Betrieb, dazu die Angst vor Benzinexplosionen. Dass sich die Benzinfresser am Ende durchsetzen, verdanken sie den Autorennen, die damals unglaublich populär waren. Hier können Elektroautos wegen der kurzen Reichweite am Ende doch nicht mithalten.

115 Jahre nach Jenatzy könnte sich die Geschichte wiederholen. Erneut hat das Benzinauto ein Imageproblem – als fossiler, Erdöl verschlingender Dino und Klimakiller. Und wieder will man das Elektroauto durch Autorennen frisieren und so den Durchbruch zum Massenmarkt schaffen. Die neu gegründete „grüne“ Formel E – die rasenden Rasenmäher – soll das Image liften. Das erste Rennen in Peking lieferte Mitte September spektakuläre Crashs und einen neuen Rennmodus mit Autowechsel, begrenzter PS-Zahl und zwei Frauen im Cockpit. Und Zuschauern ohne Ohrstöpsel! Zur selben Zeit steckt die mit „Benzin im Blut“ getränkte alte Formel I tief in der Krise: Millionenverluste, wenig Interesse, undurchschaubarer Regelwust, gähnende Langeweile.

Gelingt das Überholmanöver der Formel E? Wohl kaum. Denn an der fundamentalen Kalamität des Elektroautos hat sich nichts geändert. Kritiken von 1900 und 2014 klingen beinahe wortgleich. Der französische Journalist Louis Baudry de Saunier schreibt im Jahr 1900: Die Batterien „liefern trotz großen Volumens und Gewichts nur sehr wenig und bloß für kurze Zeit elektrischen Strom. Auch sind die Kosten dafür sehr hoch“.

Bei Bosch-Manager Wolf-Henning Scheider hört sich das heute so an: „Es wird noch sehr lange dauern, bis die Batterien für Elektrofahrzeuge leistungsfähig genug sind, um größere Distanzen zurückzulegen und sie zu vertretbaren Kosten zu fertigen.“ 7.700 Elektroautos sind in Deutschland 2013 zugelassen worden, bei drei Millionen Neuzulassungen weniger als ein Prozent. Als Trost noch mal Baudry de Saunier: „Wie barbarisch würde der Benzinwagen neben einem so eleganten Gefährt wie dem Elektromobil erscheinen, wenn dieses mit einem Schlage die große Fahrt antreten könnte.“ Könnte, könnte, Witwenrente!

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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