Kolumne Wir retten die Welt: Der Kot der Köter

Was ist schlimmer: Hundescheiße oder Hundescheiße-Plastikbeutel? Letztere landen häufiger in der Natur, zeigen Fotos auf der „The Poop Bag Map“.

Eine Hundebesitzerin läuft mit ihrem großen Hund durch New York.

Große Hunde, große Haufen. Foto: ap

Wenn es um Hunde geht, verstehen die Deutschen nun wirklich keinen Spaß. Unterdrückte Gewaltfantasien brechen hervor wie Eiter aus der dreckigen Wunde: Man solle den Hundebesitzern den liegengelassenen Kot „in den Briefkastenschlitz drücken“, die Hundesteuer auf 5.000 Euro erhöhen und die Vierbeinerwindel unter Strafandrohung obligatorisch machen.

Während die Hundebesitzer ganz naturverbunden kontern, dass Hundekot „biologisch voll abbaubar“ und im Vergleich zu Autoabgasen, Pestizidorgien oder den Mordfeldzügen des IS doch „ein Klacks“ sei, weisen Hundehasser in einschlägigen Internetforen wiederum auf multiple mikrobielle Gefahren hin: Hundekot enthalte unter anderem auch Spulwürmer, Peitschenwürmer, Hakenwürmer, Fuchsbandwürmer.

Anlass des tierischen Beißkrampfs ist der Streit über eine DNA-Datenbank für Hunde, wie sie im Osten Londons ab Januar 2016 probeweise eingeführt wird. Man nimmt von jedem Tier eine Speichelprobe und kann so die Verursacher illegaler Kothäufchen per DNA-Analyse überführen und die Besitzer bei Wasser und Brot wegsperren. Die Kotanalyse kostet 80 Euro, sie wird dem Halter zuzüglich einer saftigen Geldbuße in Rechnung gestellt.

Die Stadt macht sogar noch ein Geschäft mit dem Geschäft des Hundes. Irgendwie muss der neue Kindergarten ja auch bezahlt werden. Außerdem werden Arbeitsplätze geschaffen – einer sammelt die Bröckchen, ein zweiter analysiert den genetischen „Fingerabdruck“.

Paranoiageplagte Hundebesitzer

Wie immer bei Datenbanken gibt es aber Probleme: Kann man den Besitzer zur Speichelprobe des Hundes zwingen? Was sagt Karlsruhe dazu? Wie groß ist das Risiko fehlerhafter Befunde? Was geschieht mit ortsfremden Hunden, die zu Besuch kommen und illegal defäkieren. Brauchen wir nicht bundesweite, ja EU-weite Datenbanken? Und wenn jetzt der Hund Luigi über ein Häufchen der Hündin Sally uriniert?

Wessen DNA wird dann ermittelt? Natürlich ahnt der paranoiageplagte Hundebesitzer schon, dass in Wahrheit die Daten des Hundehalters und nicht die von Schnuffi gespeichert werden und dass die Hundedatenbank nur ein weiterer Mosaikstein der Totalüberwachung ist. Keine Frage!

Was aber viel zu wenig beachtet wird: Nicht nur der Hundekot, auch die Hundekotpäckchen sind längst zum Problem geworden. Auf www.poopmap.de sehen wir, wo überall Beutel illegal entsorgt werden. Weil Hundebesitzer den gefüllten Gassibeutel nicht stundenlang in der Hosentasche herumtragen können, wird dieser irgendwann – sofern kein Abfallkorb bereitsteht – als Fehlwurf in die Natur entsorgt.

5200 Fotos von Hundekot-Missetaten

5.200 Fotos hat ein Hamburger Student dazu auf poopmap.de gesammelt. Er informiert uns darüber, dass jährlich 200.000.000 Hundekotbeutel von deutschen Kommunen ausgegeben werden, von denen 97 Prozent aus stinknormalem Plastik bestehen, somit „über Hunderte von Jahren ein Umweltproblem darstellen“.

Und: Die Beutel würden viel häufiger als Einkaufstüten in Grünanlagen und Gewässern landen. Eine interaktive Hundekotbeutelkarte zeigt, in welchem Hamburger Stadtteil wie viele Beutel weggeworfen werden. Hey Öko-Institut, was ist jetzt eigentlich schlimmer: Hundekot oder Hundekotbeutel?

Zurück zur DNA-Analyse. Die Chance auf eine genetisch bundesweite Hunderfassung ist eher gering. Ulrich Mohn vom Deutschen Städte- und Gemeindebund findet, die Datenbank sei zu aufwendig. Aber auf einzelne Pilotprojekte sei er gespannt. Wir sind es auch. Und erinnern schon mal daran, dass Hundehäufchen nur die Spitze des Eisbergs sind. Auch von Tauben, Spatzen und Katzen brauchen wir dringend Datenbanken. Vom Kuhmist auf Feldwegen gar nicht zu reden.

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Manfred Kriener, Jahrgang 1953, ist Umweltjournalist und Autor in Berlin. Themenschwerpunkte: Klima, Umwelt, Landwirtschaft sowie Essen & Trinken. Kriener war elf Jahre lang taz-Ökologieredakteur, danach Gründungschefredakteur des Slow-Food-Magazins und des Umweltmagazins zeozwei.. Zuletzt erschienen: "Leckerland ist abgebrannt - Ernährungslügen und der rasante Wandel der Esskultur". Das Buch schaffte es in die Spiegel-Bestsellerliste und wurde von Umweltministerin Svenja Schulze in der taz vorgestellt. Kriener arbeitet im Journalistenbüro www.textetage.com in Kreuzberg.

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