Kolumne Wir retten die Welt: Holt den Oldtimer raus aus der Stadt!

Mit dem H auf dem Nummerschild sparen Altauto-Halter jede Menge Steuern – und entern sogar Umweltzonen. Die Lösung? Einfach klauen!

Heckflosse eines roten Ford Mustang von 1968

In Einzelteilen wertvoller: ein Ford Mustang von 1968. Foto: reuters

Der ADAC jubelt, dass 63 Prozent der deutschen Männer „sich freuen, wenn sie Oldtimer auf der Straße sehen“. Ich bin ein emphatischer 37-Prozenter. Ob Oldtimer oder Youngertimer – Autos sind die Pest. Sie haben unsere Städte okkupiert, parken, lärmen, giften alles zu, gefährden Unumblechte und verhindern mit ihren grotesken Verstauungen den Radverkehr.

Zugegeben, keine sonderlich originelle Erkenntnis. Doch dann liest man: Wieder ein Oldtimer geklaut, am helllichten Tag, mitten in der Stadt, ein Ford Mustang. Reflexgedanke: Gut so, eine weniger von diesen extrastinkenden Kultkarren. Seit Mai ist in und um Aachen herum gut ein Dutzend Oldtimer gestohlen worden. Die Polizei vermutet, sie werden bandenmäßig Richtung Niederlande gelenkt. Wiedergefunden wurde keiner.

Der ferrarirote Mustang aus den 70er Jahren war „ein Familienmitglied“, jammert der Eigentümer via Lokalzeitung, das er „länger als seine Frau habe“. Der Wagen habe einen „frisierten Hochleistungs-Fünfliter-V8-Motor, Boss 302, 400 PS“. Der arme Mann habe sich, schrieb die Zeitung, „erheblich länger und intensiver mit seinem Auto beschäftigt, als es die meisten großen Schriftsteller mit ihren Büchern oder die meisten Maler mit ihren Gemälden getan haben.“ Ein „Lebenswerk“.

Geht’snoch? Ich schreibe einen Leserbrief, meinen ersten seit Neunzehnhundertnochwas. Tenor: Jeder geklaute Oldtimer verbessert die Luft unserer smoggeplagten Talkesselstadt. Jenseits kleinlicher strafrechtlicher Betrachtungen sei der Schwund der CO2-Monster uneingeschränkt zu begrüßen. „Deshalb Dank an die Diebe und: durchatmen!“ Es folgte ein schimpfender Gegenleserbrief. Ansonsten: Viele, die ich unter 63-Prozent-Verdacht geführt hätte, nahmen mich beiseite, noch Wochen später. Tenor: Super, toll, endlich sagt es jemand, dieser Autoschwachsinn!

Zu einem umweltpolitischen Skandal werden die Oldtimer durch die staatliche Alimentierung. Jedes Auto über 30 Jahre, das einigermaßen in Schuss ist, bekommt das Nummernschild mit dem H hinten. H steht für historisch und spart hunderte Euro Steuern per annum. Oldies gelten als „historisches Kulturgut“. Seit 1997 subventioniert Autovater Staat die Halter. An die 400.000 der gepamperten Stinker fahren mittlerweile umher, jährlich werden es gut 10 Prozent mehr.

Helft, liebe Holländer!

Im Februar bekommt Aachen die Umweltzone. Die Kaufleute fürchten weniger Kunden aus dem Land der mutmaßlichen Autodiebe. Grotesk: H-Autos dürfen in die Umweltzonen fahren, egal mit welchen Auspuffcocktails sie uns vergiften. Klauen die Holländer die Oldtimer, um ab Februar damit zum Shoppen wiederzukommen?

Nun ist es dem Weltklima ja egal, wo Autos ihre Gift ausstoßen. Bringt der Oldtimerklau also ökologisch nix? Von wegen: Die Polizei glaubt, dass die Diebe aus unserem aufgeklärten Nachbarland die Wagen zerlegen, weil die Einzelteile wertvoller sind als die ganze Kiste. Großartig! Also, liebe Holländer: Helft! Denn noch mehr als 1.000 Mustangs, 911er Porsches, Alfa Spiders und Mercedes-Karossen spotzen in Aachen und um Aachen herum. Am Ende bliebe ein einziger zusammengepuzzelter Rest-Oldtimer als Mahnmal übrig.

Nebenan in Köln hatte im Hungerwinter 1946/47 der legendäre Kardinal Joseph Frings den Nahrungsmittelklau abgesegnet: „Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat.“ Seitdem gibt es im Rheinland den Begriff „fringsen“. Autoentsorgung à la hollandaise wird man später mal umweltfringsen nennen.

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Sohn des Ruhrgebiets, Jahrgang 1956, erfolgreich abgebrochenes VWL- und Publizistikstudium, schreibe seit 1984 für die taz – über Fußball, Golf, Hambacher Wald, Verkehrspolitik, mein heimliches Lieblingsland Belgien und andere wichtige Dinge. Lebe und arbeite als leidenschaftlich autoloser Radfahrer in Aachen. Seit 2021 organisiere und begleite ich taz-LeserInnenreisen hierher in die Euregio Maas/Rhein, in die Nordeifel und nach Belgien inkl. Brüssel. Bücher zuletzt: "Die Zahl 38.185" - Ein Fahrradroman zur Verkehrswende (2021). "Ach, Aachen!" - Textsammlung aus einer manchmal seltsamen Stadt (2022).

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