Kolumne Wir retten die Welt: Die Wissenschaft muss dran glauben

Ist die Klimawissenschaft nur eine Religion? Muss man zum Gott der Physik beten? Das ganze Elend der Klimadebatte in der Talkshow „Maischberger“.

Satellitenbild eines tropischen Sturms

Der himmlische Blick auf sehr irdische Probleme: Tropensturm „Nate“ Foto: dpa

Der Spiegel hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern ja mal wieder alles um die Ohren gehauen: Geldverschwendung, Staatsfunk, Zuschauerschwund. Unsinn, dachte ich als ARD/ZDF-Fan, auf meine Öffis lasse ich nichts kommen. Bis ich dann am Mittwochabend „Maischberger“ sah.

Schon der Titel verursachte mir Ohrensausen. „Xavier und die Wetterextreme. Kippt unser Klima?“ Wetterclown Jörg Kachelmann kann Stürme erklären, den Klimawandel nicht. Ob der vom Menschen gemacht wird, da wollte sich auch Dorothee Bär nicht festlegen. Das ist die Frau, die als CSU-Staatssekretärin im Verkehrsministerium völlig zu Recht die letzten vier Jahre nicht in Erscheinung getreten ist.

„Klimaleugner“ Alex Reichmuth brachte all die ollen Kamellen mit: Früher war es schon mal warm und man könne das alles gar nicht wissen. Der wie immer schläfrig wirkende deutsche Klimapapst Hans Joachim Schellnhuber und die grüne Umweltexpertin Bärbel Höhn hatten ihre liebe Not, die letzten Reste von Verstand und Vernunft zu verteidigen. Dann fragte die erkennbar schlecht vorbereitete Moderatorin Sandra Maischberger: „Glauben Sie an den Klimawandel?“ Das war der Moment, als ich auf dem Sofa zu schreien begann.

Eigene Meinung: Ja, bitte. Eigene Fakten: Nein, danke!

Fröhlich lächelnd tappte die Talk-Queen in die Falle der Klimaleugner. Selbstverständlich darf jeder seine eigene Meinung und Religion haben. Aber nicht seine eigenen Fakten. GLAUBEN wir an den Klimawandel? Ist er denn etwas Übersinnliches? Wenn Tausende von WissenschaftlerInnen Jahrzehnte forschen und zu 97 Prozent übereinstimmen, wie kann man da nach Glauben fragen? Ich war gerade von einem Klimaforscher-Kongress nach Hause gekommen. Tagelang können diese Nerds über Forschungsmethoden, Modellierungsverfahren und die Verlässlichkeit ihrer Daten debattieren. Weihrauchduft, Massenekstase und heilige Gesänge sind mir in diesen Zirkeln eher selten begegnet.

Undenkbar, dass im Fernsehen andere wichtige Themen so trashig zertalkt würden. Stellen Sie sich vor: „Glauben Sie an Armut im Alter?“ oder „Rauchen verursacht Krebs? Beweisen Sie das mal!“ Für Talkshows eröffnet dieses neue Interesse an der Esoterik der Realität ganz neue Themen: „Ist Wasser wirklich nass?“, „Glauben Sie an die Schwerkraft?“ oder „Geht morgen früh die Sonne auf?“

Gerade hat die Bundesregierung zugegeben, dass sie ihr Klimaziel verfehlt. Aufgeregt hat das nur die üblichen Verdächtigen. Diese Talk­runde zeigt, warum: Weil es bei diesem Thema ein Mindestmaß an Seriosität und Interesse an Fakten braucht. Dabei ist Sandra Maischberger ja nicht irgendwer. Sie hatte im TV-Duell vor der Wahl sogar Angela Merkel und Martin Schulz vor der Flinte. Aber die hat sie nicht gefragt, ob sie an den Klimawandel glauben. Das Elend beim Klimaschutz ist, dass über ihn entweder niemand redet. Oder aber Maischberger.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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