Kolumne Wir retten die Welt: Knast für Ökosünder!

Wer Investoren schädigt, wandert ins Gefängnis – aber wer den Planeten ruiniert, bleibt frei. Das muss sich ändern. Bayern macht's vor.

Hände in Handschellen

Den Müll nicht getrennt? Wenn Umweltfrevel kein Kavaliersdelikt wäre Foto: dpa

Sein Sohn beginne jetzt ein Jura-Studium, erzählte mir mein Freund J. Als zertifizierter Vierteljurist wünsche ich dem jungen Mann alles Gute. Er wird sich nicht langweilen. Denn wenn wir die Welt retten wollen, gibt es auch für JuristInnen viel zu tun. Zum Beispiel einen bayerischen Ministerpräsidenten hinter Gitter zu bringen.

Das erwägt jetzt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Er lässt prüfen, ob „Erzwingungshaft gegen Amtsträger“ möglich sei, wenn eine Regierung Gerichtsurteile dauerhaft ignoriert. Bayern weigert sich, im Abgasskandal Fahrverbote in Betracht zu ziehen. Also Knast für Öko-Sünder – Das ist wirklich mal was Neues.

Denn wenn bislang ein hohes Tier wegen Umweltdelikten im (Untersuchungs)Gefängnis landet, dann meist wegen Betrug oder Steuerhinterziehung – von Enron-Chef Kenneth Lay bis Audi-Boss Rupert Stadler. Auf der anderen Seite wandern immer wieder Öko-Kämpfer ins Gefängnis, wenn sie Braunkohlebagger oder Schweinehöllen sabotieren.

Wenn also jemand im Kapitalismus das Eigentum von Umweltzerstörern nicht achtet, wenn jemand seine Geldgeber hinters Licht führt oder dem Staat nicht die fälligen Steuern bezahlt, kennt Justitia keine Gnade. Aber wenn jemand im großen Stil den Planeten ruiniert, gibt es sehr selten einen Richter.

In der Abgasaffäre könnten findige Juristen gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zum Betrug ermitteln, weil sie alle Augen zumachte.

Die Umwelt ist oft ein rechtsfreier Raum. Luft und Grundwasser kann man fast überall legal verpesten, auf hoher See gilt bei Fischfang oder Müllverklappung das Recht der Piraten; jährlich kommen unkontrolliert tausende von neuen Chemikalien auf die Welt. Ein paar aufrechte Anwälte kämpfen für die Umwelt, aber ihr Frust ist oft groß.

Man stelle sich vor, das ändere sich. Politiker würden von der Justiz kreativ gezwungen, die Gesetze einzuhalten: Wer die Gülleverordnung nicht umsetzt, müsste ein halbes Jahr beim Bauern Ställe ausmisten; wer die Recyclingquote nicht durchsetzt, bekäme drei Monate am stinkenden Müllsortier-Fließband aufgebrummt. Wer Luftreinhaltung nicht ernst nimmt, wird mit zwei Kettenrauchern in ein Büro gesteckt. In der Abgasaffäre könnten findige Juristen gegen die Bundesregierung wegen Beihilfe zum Betrug ermitteln, weil sie alle Augen zumachte. Und im Klimawandel könnte nicht nur RWE wegen einer Forderung nach Schadensersatz für einen peruanischen Bergbauern vor dem Kadi landen. Man könnte auch prüfen, was der Bundesrepublik Deutschland droht, wenn sie einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag wie das Pariser Klima-Abkommen ignoriert.

Die Antwort: Gar nichts, Euer Ehren! Dafür haben schon die Verhandler gesorgt, die solche Abkommen formulieren. Die meisten von ihnen sind – Juristen.

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Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

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