Kolumne Wutbürger: Aufzucht zukünftiger Kampfradler

Laufräder gehören in die Tonne. Aber auf keinen Fall in den Supermarkt, wo die Kinder völlig unkontrolliert durch die Gänge flitzen.

Hilft eh nicht gegen angebliche Überwindung altersbedingter Lauffaulheit. Bild: dpa

Es gibt Erfindungen, die gehören sofort wieder abgeschafft, und dazu zählt für mich das Laufrad für kleine Kinder. Leider sieht es nicht danach aus, im Gegenteil. Heute gehört das zur Grundausstattung von Kleinkindern, obwohl die kleinen Fahrer weder die körperlichen Voraussetzungen noch den Verstand dafür haben. Daran fehlt es nach meiner Erfahrung auch manchen Eltern. Sonst würden sie ihre Kinder nicht mit Laufrad in den Supermarkt nehmen, wo sie dann völlig unkontrolliert durch die Gänge flitzen und mir in die Hacken fahren – oder gegen mein Schienbein.

Als es kürzlich mal wieder zu einer schmerzhaften Kollision kam, fragte die Mutter ihren Sohn besorgt, ob er sich wehgetan habe. Mich hat sie einfach ignoriert. Ich erwarte von einem Kleinkind kein Mitgefühl, aber wenigstens von der Erziehungsberechtigten. Bei so viel Ignoranz liegt der Verdacht nahe, dass hier gerade mit voller Hingabe ein zukünftiger Kampfradler aufgezogen wird. Da könnte zu viel Rücksichtnahme auf andere hinderlich sein.

Was sicher auch jener Vater gedacht hat, der neulich seine zwei Kinder mit Laufrädern in eine Praxis für frisch operierte Orthopädiefälle mitgenommen hat. Sie sollen ja ihren Gleichgewichtssinn trainieren.

Ein weiteres Argument für Eltern, ihre Kinder auf diese Räder zu setzen, ist die Aussicht auf eine angebliche Überwindung altersbedingter Lauffaulheit. Funktioniert aber sowieso nicht: Ich wohne neben einer großen Kindertagesstätte und sehe jeden Tag die Dramen auf dem Gehweg. Die Faulen hängen lustlos jaulend auf dem Rad und wollen keinen Meter weiter, während die Fitten schon mal Richtung Kreuzung sausen.

Niemand wurde so oft Fußballweltmeister wie Brasilien. Wie Minister, Konzerne und Aktivistinnen diesen Mythos benutzen, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 7./8. Juni 2014. Außerdem: Sechs Kinder und Jugendliche aus Syrien erzählen, wie es ihnen in Flüchtlingslagern im Libanon ergeht. Und: Was der Hausmeister und die Hausdame der legendären Sportschule von Malente über Franz Beckenbauer und Lothar Matthäus wissen. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich betrachte es als Entschädigung für all die blauen Flecke, wenn ich zuschauen darf, wie entnervte Eltern sich mit Kind UND Laufrad auf dem Arm langsam Richtung Kita schleppen. Aber eigentlich warte ich darauf, bis endlich einer von denen das Teil in einem cholerischen Anfall in die Tonne kloppt. Da würde ich dann gerne helfen.

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