Kommentar 38 Jahre unrechtmäßige VS-Beobachtung: Geheimdienste sind undemokratisch

Es ist rätselhaft, wie ein so demokratiefernes Konstrukt wie der Verfassungsschutz die freiheitlich demokratische Grundordnung schützen soll.

Anscheinend nötig: Werbung in eigener Sache des Bundesamtes für Verfassungsschutz Foto: dpa

Mit der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster in der Sache Rolf Gössners ist jetzt erneut bestätigt: Die 38-jährige Überwachung des Bremer Menschenrechtsanwalts war rechtswidrig, unverhältnismäßig, anlasslos – sinnlos. Interessant wäre da natürlich mal eine Prüfung durch den Bundesrechnungshof, denn auch sinnlose Bespitzelung gibt es nicht für lau.

Aber ach!, das bleibt ein frommer Wunsch. Denn während die Kontrolle der Mittelvergabe zum Wesen der Demokratie gehört, wächst das Budget der Geheimdienste ganz unabhängig davon, ob mit dem Geld Erfolge, Neo-Nazis, oder irre Späh-Attacken finanziert werden. Das markiert ihr Verhältnis zur Demokratie: Denn die basiert auf Vertrauen. Und „Vertrauen ohne Transparenz“ ist laut Bundesverfassungsgericht „nicht möglich.“

Ebenso unmöglich: Ein transparenter Geheimdienst. Und auch wenn dabei dem Verfassungsschutz bescheinigt werden muss, dass er nie so komplett von Nazi-Seilschaften dominiert war, wie der Bundesnachrichtendienst, bleibt rätselhaft, wie ein so demokratiefernes Konstrukt die freiheitlich demokratische Grundordnung schützen soll: Wäre dafür nicht nötig, eine demokratische Kultur zu entwickeln, die von Vielfalt der Meinungen lebt, statt einzelne als bedrohlich zu diffamieren?

Die jedenfalls fehlt dem BfV. Das belegt, mehr noch als die jahrzehntelange Überwachung eines Einzelnen selbst, die Verbissenheit, mit der diese Bundesbehörde für ihr vermeintliches Recht kämpft, unbescholtene Bürger*innen ausspitzeln zu dürfen – mit egal wie dürftigen Ergebnissen. Es ist tröstlich, dass die Justiz ihr Einhalt gebietet – und so wirksam die Verfassung schützt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.