Kommentar Abverkauf von Air Berlin: Gier hat auch ihr Gutes

Alle sind Verlierer der Air-Berlin-Pleite. Außer der Lufthansa, die sich am wertvollen Material bedient – und vielleicht der Bahn.

Ein Flugzeug vor Wolken

Stichwort: Reinhard Mey Foto: dpa

Das muss man erst mal hinkriegen: Mit der Übernahme eines Teils von Air Berlin sichert sich die Lufthansa die wertvollsten Hinterlassenschaften ihres wichtigsten Konkurrenten – und drückt sich gleichzeitig um jede Verantwortung für MitarbeiterInnen und KundInnen des Unternehmens.

Neben einem Teil der Maschinen übernimmt die Lufthansa vor allem viele Start- und Landerechte von Air Berlin. Damit sinkt in jedem Fall der Wettbewerb, auf einigen Strecken entsteht sogar faktisch ein Monopol. Egal was Lufthansa-Chef Carsten Spohr jetzt ankündigt: Durch den Wegfall des einzigen deutschen Konkurrenten werden die Preise natürlich steigen. Konzerne, die freiwillig auf Gewinne verzichten, sind im Kapitalismus schließlich rar.

Die Kosten hingegen werden bei Lufthansa niedriger sein als bei Air Berlin. Denn die Besatzungsmitglieder der Flugzeuge werden überwiegend nicht direkt übernommen, sondern sie müssen sich neu bewerben. Dabei kann sich Lufthansa die jüngeren und damit billigeren MitarbeiterInnen herauspicken – und diese werden zudem zum niedrigeren Tarif der Lufthansa-Tochter Eurowings und teilweise in Österreich angestellt.

Auch die KundInnen gehören zu den Verlierern: Wer ein Ticket bei Air Berlin gekauft hat, hat keinen Anspruch auf Beförderung, wenn die Lufthansa nun mit der gleichen Maschine auf der gleichen Strecke weiter fliegt. Juristisch mag das korrekt sein. Moralisch ist es aber fragwürdig – erst recht, nachdem der Übergang, von dem die Lufthansa jetzt profitiert, von der Bundesregierung mit einem Kredit aus Steuermitteln ermöglicht wurde.

Shareholder freuen sich

Freuen können sich über diese rücksichtslose Rosinenpickerei der Lufthansa vor allem die Aktionäre des Unternehmens, die mit steigenden Dividenden rechnen dürfen. Nachdem die Übernahme am Donnerstag bekannt wurde, erreichte der Aktienkurs sofort den höchsten Stand seit 17 Jahren.

Ein bisschen profitieren dürfte aber auch die Bahn. Denn durch den Wegfall der billigen Air-Berlin-Tickets wird die klimafreundliche Alternative auf der Schiene auf vielen innerdeutschen Strecken erstmals wieder preiswerter sein als ein Flug. Und wenn durch die steigenden Preise mehr Menschen auf Kurzstreckenflüge verzichten, dann hat die Gier der Lufthansa doch noch ihr Gutes.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.