Kommentar Äffäre um Juncker: Eine schwere Vertrauenskrise

Die Luxemburg-Leaks haben den EU-Kommissionschef ins Mark getroffen. Sein Ausweichkurs wird ihm nicht helfen. Konsequenzen müssen folgen.

Muss sich erklären: Jean-Claude Juncker. Bild: dpa

Einen Neubeginn hat er versprochen, aber jetzt wird Jean-Claude Juncker von seiner Vergangenheit eingeholt. Nach einer Amtszeit von nur vier Wochen muss sich der neue EU-Kommissionschef einem Misstrauensvotum stellen.

So schnell ist das Vertrauen in die EU-Spitze noch nie gesunken. Die demokratische Legitimation, deren sich Juncker seit seiner Wahl als konservativer Spitzenkandidat rühmt, schmilzt wie Schnee in der Sonne. Daran ändert auch nichts, dass es „nur“ Rechtspopulisten vom Schlage eines Nigel Farage oder einer Marine Le Pen sind, die ihn herausfordern. Zwar ist ihre Attacke zum Scheitern verurteilt – die Große Koalition im EU-Parlament wird sie kommende Woche mit überwältigender Mehrheit abschmettern –, doch das verlorene Vertrauen lässt sich so leicht nicht wiederherstellen.

Die „Luxemburg Leaks“ haben Juncker ins Mark getroffen. Die Große Koalition in Brüssel weicht dem Thema aus; dabei beschäftigt es nicht nur Wähler von Ukip oder Front National: Wie kann es sein, dass ein Mann an der Spitze der EU-Kommission steht, der jahrelang als Luxemburgs Regierungschef Steuervermeidung und Steuerflucht organisiert hat?

„Für alles verantwortlich, an nichts schuld“, so lautet im Wesentlichen seine Selbstverteidigung. Augenzwinkernd verweist er darauf, dass andere es ja auch gemacht hätten – als sei er durchaus in bester Gesellschaft.

Aber in Zeiten von Sparzwang und Massenarbeitslosigkeit sind Sondertarife für Weltkonzerne nicht mehr akzeptabel. Da reicht auch keine Offenlegung der Tax Rulings, also jener geleakten Vorzugstarife, die Juncker und seine Kollegen jahrelang abgenickt haben. Die EU-Kommission muss da mehr liefern.

Das sollten auch die Europaabgeordneten wissen, die ihm kommende Woche, wenn auch mit schlechtem Gewissen, das Vertrauen aussprechen wollen. Mit mehr Transparenz und noch mehr Kumpanei zwischen Christ- und Sozialdemokraten ist es nicht getan. Auch das Europaparlament muss liefern – und Druck auf die Kommission machen. Nur wenn die Luxemburg Leaks praktische, für jeden sichtbare und im Portemonnaie fühlbare Konsequenzen haben, kann die Affäre abgehakt werden. Ansonsten wird Juncker zur Lame Duck – und das Europaparlament zum Club der Abnicker.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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