Kommentar AfD und Verfassungsschutz: Der Ruf nach dem Verruf

Der Verfassungsschutz lehnt es ab, die AfD zu beobachten. Gut so! Alles andere wäre ein armseliges Zeichen für die Demokratie.

AfD-Abgeordnete im Bundestag

Jeder sollte ihr Treiben gut beobachten, nur der Verfassungsschutz nicht: Teil der AfD-Fraktion im Bundestag Foto: ap

In der Demokratie bestimmen die Bürger die Ziele des Staates – und nicht der Staat, was die Bürger denken sollen. Daran hat das Bundesverfassungsgericht erst vorige Woche erinnert und eine Ministerin gerügt, weil sie der AfD auf ihrer Dienst-Homepage symbolisch die „rote Karte“ gezeigt hat. Der Staat müsse im politischen Diskurs neutral bleiben, so Karlsruhe.

Für den Verfassungsschutz gilt diese Neutralitätspflicht nicht. Er darf auch eine politische Partei „beobachten“ und auf den Index setzen. Der Verfassungsschutz ist damit aber ein Fremdkörper in der Demokratie und sollte entsprechend vorsichtig eingesetzt werden.

Man kann sich deshalb nur wundern, wie leichtfertig derzeit viele fordern, der Verfassungsschutz solle die AfD beobachten. Zugleich ist es ein gutes Zeichen, dass der Verfassungsschutz dem öffentlichen Druck bislang nicht nachgegeben hat.

Es wäre doch ein armseliges Zeichen für die Demokratie, wenn der Inlandsgeheimdienst die bundesweit stärkste Oppositionspartei überwacht. Anrüchig wäre dies auch, weil im Herbst ja auch Landtagswahlen in Bayern sind und der CSU-Parteichef Horst Seehofer bald Innenminister und damit oberster Chef des Verfassungsschutzes wird.

Für Strafverfolgung ist die Polizei zuständig

Es ist ja nicht lange her, da hat der Verfassungsschutz noch die gesamte Linkspartei überwacht, inklusive Bodo Ramelow, heute Ministerpräsident von Thüringen. Wer das damals anmaßend und bevormundend fand, sollte nun drei Mal überlegen, ob er den Verfassungsschutz gegen die AfD in Stellung bringen will und ihn so noch legitimiert.

Die Einschaltung des Verfassungsschutzes brächte auch keinen besseren Schutz von Minderheiten und Andersdenkenden. Für Volksverhetzung und Beleidigung sind die Polizei und die Staatsanwaltschaft zuständig. Die „Beobachtung“ durch den Verfassungsschutz hieße nur, dass die AfD im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird und damit ganz offiziell in „Verruf“ gebracht wird.

Genügt es nicht, wenn Demokraten gegen die AfD demonstrieren? Wenn andere Parteien die Zusammenarbeit verweigern und Medien fast unisono vor der AfD warnen?

Die aktuelle Debatte um AfD und Verfassungsschutz krankt aber auch daran, dass kaum jemand konkret begründet, wo die Probleme der Partei mit der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ liegen. Dass AfD-Politiker Türken in Deutschland als „Kameltreiber“ bezeichnen, ist zwar widerlich, aber sicher nicht ausreichend.

Ausgrenzung hilft nicht gegen Ausgrenzung

Relevant ist dagegen die permanente Anti-Islam-Hetze der AfD. Immer wieder wird Muslimen in Deutschland pauschal die Religionsfreiheit abgesprochen. „Der Islam gehört nicht zu Deutschland“ heißt es im Grundsatzprogramm der AfD. Das hat mit legitimer Religionskritik nichts mehr zu tun, hier geht es nur noch um Ausgrenzung.

Wenn aber Ausgrenzung das Problem der AfD ist, dann kann bloße Ausgrenzung der AfD aus demokratischer Sicht keine überzeugende Lösung sein.

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Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

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