Kommentar Algeriens Präsident: Ein bisschen Licht

Die algerische Armee will Präsident Bouteflika absetzen. Für die Demonstranten, die eine neue demokratische Ordnung wollen, ist sie kein verlässlicher Partner.

DemonstrantInnen in Algiers

Der endgültige Sieg wäre die Amtsenthebung Bouteflikas nicht – die Demonstranten wissen das Foto: Reuters

„La grande muette“ – „die große Stumme“ – wie die Algerier ihre Armee nennen, hat gesprochen, und das zur besten Sendezeit im Staatsfernsehen. Armeechef General Ahmed Gaid Salah will, dass der 82-jährige, schwerkranke Präsident Abdelaziz Bouteflika für amtsunfähig erklärt wird.

Die algerische Verfassung sieht das vor, wenn der Staatschef „wegen schwerer und dauerhafter Krankheit“ sein Amt nicht mehr ausüben kann. Von einem Schlaganfall 2013 schwer gezeichnet, trifft dies auf Bouteflika schon lange zu. Von diesem Schritt erwartet sich der General „einen Ausweg aus der Krise“.

Durch die Entscheidung der Armee wird Bouteflika von einer nützlichen Marionette, hinter der sich alle möglichen Clans der Macht – unter ihnen auch die Armee – versteckten, zum Bauernopfer. Denn seit nunmehr über einem Monat gehen die Algerier zu Hunderttausenden auf die Straße.

Zuerst gegen eine fünfte Amtszeit des seit 20 Jahren amtierenden Bouteflikas, dann gegen die Pläne, dass er – ganz ohne Wahlen – so lange im Amt bleibt, bis eine neue Verfassung ausgearbeitet wird.

Im Rahmen der aktuellen Verfassung

Der endgültige Sieg wäre die Amtsenthebung Bouteflikas nicht. Die Demonstranten wissen das. Sie werden sicher weiter auf die Straße gehen, um einen Übergang zu einer wirklich neuen, demokratischen Ordnung zu fordern.

Doch General Salah will den Rahmen der aktuellen Verfassung nicht verlassen. Einmal für amtsunfähig erklärt, muss – so sieht es die Verfassung vor – in spätestens in 135 Tagen ein neuer Staatschef gewählt werden. Ob diese Wahlen sauber über die Bühne gehen, darf bezweifelt werden. Denn der Staatsapparat ist in den Händen derer, die von Bouteflika einst eingesetzt wurden – unter ihnen der obersten Verfassungsrichter oder auch Armeechef Salah selbst.

Die Armee war seit der Unabhängigkeit immer der wichtigste Akteur im Hintergrund. Und wenn die Geschichte eines zeigt, dann, dass die Generäle vor nichts zurückschrecken, wenn es um das Überleben der Machtstrukturen als solche geht. Der blutige Bürgerkrieg der 1990er Jahre mit bis zu 200.000 Toten und bis zu 20.000 Verschwundenen zeigt dies. Bei so manchem Massaker wurde nie geklärt, ob tatsächlich die Islamisten die Täter waren.

Den Demonstranten ist es gelungen, ein bisschen Licht ins dunkle Machtgefüge zu bringen, in dem sie keinen geringeren als die Armee gezwungen haben, aus dem Schatten zu treten. Das Spiel ist damit klarer geworden, ungefährlicher ist es freilich nicht.

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Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.

Auch Jahre nach Beginn des „Arabischen Frühlings“ reißen die Massenproteste nicht ab. Ein ganzes Jahrzehnt ist tief durch die Arabellion geprägt. Im Schwerpunkt-Dossier „Zehn Jahre Arabischer Frühling“ berichten taz-Korrespondent*innen und Gastautor*innen aus den Umbruchsländern vom Maghreb über Nordafrika bis nach Syrien, den ganzen Nahen Osten und die arabische Halbinsel.

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