Kommentar Anschlag von Villingen: Maas und die Hysterieschraube

Der Handgranatenanschlag in Villingen macht deutlich: Politiker sollten sich mit voreiligen Schlüssen in Ermittlungsverfahren zurückhalten.

Eine Hand hält ein Modell einer Handgranate

Ein Modell der Handgranate, die in Villingen-Schwenningen zum Einsatz kam. Foto: dpa

Die Hysterie in der Flüchtlingsdebatte greift um sich. Bei Rechtspopulisten, die über Vergewaltigungen durch Flüchtlinge fantasieren, die es nie gegeben hat, bei Berliner Flüchtlingsunterstützern, die Blumen für einen nicht vorhandenen toten Flüchtling niederlegen. Und bei Spitzenpolitikern, die es eigentlich besser wissen sollten.

Am Tag nach dem Handgranatenanschlag von Villingen-Schwenningen auf den Sicherheitscontainer sprach Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) von einem Anschlag „quasi mit militärischen Waffen auf Asylsuchende“, Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) legte einen Anschlag mit fremdenfeindlichen Motiven nahe.

Nach dem jetzigen Ermittlungsstand der Polizei handelt es sich um einen Streit im Sicherheitsgewerbe. Einen fremdenfeindlichen Anschlag schließen die Beamten aus.

Führende Politiker, besonders Innen- und Justizminister, sollten sich mit voreiligen Schlüssen in Ermittlungsverfahren zurückhalten. Weil sie damit den weiteren Gang der Ermittlungen beeinflussen, einerseits, und weil sie sich damit oft genug eine blutige Nase geholt haben, andererseits. Und zwar ganz gleich, ob sie einen rechtsextremen Hintergrund voreilig annahmen, wo er nicht zu beweisen war, oder frühzeitig verwarfen, wo er schließlich ermittelt wurde.

Der bis heute ungeklärte Bombenanschlag auf jüdische Migranten in Düsseldorf im Jahr 2000 stachelte die Bundesregierung zum ersten NPD-Verbotsverfahren an. Es scheiterte bekanntlich kläglich. Nach dem Anschlag in der Kölner Keupstraße 2004 sprach Innenminister Otto Schily von einem kriminellen, nicht terroristischen Hintergrund. Jahre später flog der NSU als Täter auf.

Wie viele der AfD-Anhänger noch mit rationalen Argumenten zu beeinflussen sind, ist unklar. Aber ein Justizminister, der selbst weiter an der Hysterieschraube dreht, wird ihre Hysterie sicher nicht verringern.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.

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