Kommentar Antisemitismus an Schule: Nicht die üblichen Verdächtigen

Bisher wurde Antisemitismusvorfälle an Schulen meist unter arabischen Vorzeichen diskutiert. Dafür taugt der aktuelle Fall in Zehlendorf nicht.

Zwei Kippa tragende Mädchen von hinten, eine davon hat sich in eine Israel-Fahne eingehüllt

Tolerant sollt ihr sein: Szene vom „Kippa Tag“ in Hamburg Foto: dpa

Neuntklässler, die einem jüdischen Mitschüler Zigarettenrauch ins Gesicht pusten mit den Worten, er möge sich doch daran erinnern, was im Dritten Reich mit den Juden passiert ist. Eine Schulleitung, die die Ernsthaftigkeit des Vorfalls dem eigenen Bekunden nach zunächst unterschätzt.

Das kommt einem inzwischen bekannt vor? Tatsächlich reiht sich der Antisemitismusvorfall an der John-F.-Kennedy-Schule ein in eine Kette von Vorfällen in jüngster Zeit: Im März kochte ein Fall an einer Tempelhofer Grundschule dermaßen hoch, dass sich sogar Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und die Bundeskanzlerin in die Antisemitismus-Debatte einmischten.

Der feine Unterschied dieses Mal: der Tatort. Erstmals erwischt es mit der renommierten, bilingual amerikanisch-deutschen Gemeinschaftsschule in Zehlendorf nicht die „üblichen Verdächtigen“ – also die Schulen mit einem hohen Anteil von arabischen oder türkischen Jugendlichen in Neukölln oder im Wedding. Tatsächlich waren die TäterInnen bei den letzten Vorfällen meist MuslimInnen. Was die Bild-Zeitung beim bundesweit diskutierten Vorfall an der Tempelhofer Schule auch feststellen ließ: „Deutschland hat ein Problem mit arabischem Antisemitismus.“

Das ist nicht falsch, aber es ist offensichtlich auch nicht die ganze Wahrheit. Zumindest unterschlägt man das, wovor auch der Zentralrat und die Zentrale Wohlfahrtstelle der Juden in Deutschland immer wieder warnen: Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches Problem, das die bürgerliche Mitte (und deren Sprösslinge) keineswegs ausspart.

Bisher hatte niemand besonders Lust, darüber zumindest mal zu diskutieren. Jetzt könnte man den Vorfall an der Kennedy-Schule, die laut Schulstatistik quasi keine Jugendlichen mit türkisch-arabischem Hintergrund hat, zum Anlass nehmen, das zu ändern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.