Kommentar Apple überholt Microsoft: Wie Heroin

Apple hat Microsoft überholt und ist nun die teuerste Technikfirma der Welt. Ist das besser? Nein. Windows ist zwar hässlich und Apple schick, dafür will Apple uns alle kontrollieren.

Apple: sauber, weiß und rein. Bild: Faramarz Hashemi – Lizenz: CC-BY

Jahrelang kämpften wir gegen den Feind Microsoft. Böse, böse, böse, wie Bill Gates auf alle Rechner Windows raufzwang. Closed Source. Egoistisch wie Gollum versteckt Gates den Software-Code, damit ihn keiner stehlen könnte... Freie-Software-Aktivisten hatten mit dem bösen Buben Bill leichtes Spiel. Windows war nicht nur proprietäre Software, es war auch einfach hässlich, unflexibel und uncool.

Dieses schlecht gemachte Betriebssystem, das einem ständig den Blue-Screen zeigte, mit kryptischen Zeichenketten. Sobald es zu Problemen kam, nervte Windows mit Frage-und-Antwort-Spielen: "Ist das Kabel eingesteckt?" Ja, verdammt! Stell mir nicht so blöde Fragen, Windows, wollte man da schreien. Ich bin nicht blöd und: Mach mich nicht dümmer, als ich bin.

Windows war mittelmäßig. Windows, das Betriebssystem von der Stange. Microsoft: Die Masse macht's.

Apple hat Microsoft als teuersten Technikkonzern der Welt überholt. Der Kurs der Apple-Aktie stieg am Mittwoch auf 248,47 Dollar, womit die Marktkapitalisierung auf rund 226 Milliarden Dollar kletterte. Der Kurs der Microsoft-Aktie ging hingegen auf 25,49 Dollar zurück, was eine Marktkapitalisierung von 223 Milliarden Dollar ergab. Die Marktkapitalisierung ist der Wert einer Firma in Aktien. Das einzige US-Unternehmen mit einem höheren Wert ist der Ölkonzern Exxon Mobile mit rund 281 Milliarden Dollar.

--

Steve Jobs und sein Freund Steve Wozniak gründeten Apple Computer 1976, fünf Jahre bevor IBM in den Markt für PCs einstieg. Apple brachte 1984 mit dem Macintosh den ersten Computer auf den Markt, der sich über eine Maus und nicht nur über eingetippte Befehle steuern ließ. Spätere Meilensteine der Computerentwicklung von Apple waren etwa der IMac oder die leistungsstarken Notebooks. (apn)

Ganz anders Apple. Schon immer etwas Besonderes. Eigene Hardware. Selbst bei den Prozessoren verfolgte Apple bis 2006 einen ganz eigenen Weg. Und alles genau aufeinander abgestimmt: Das Apple-Betriebssystem MacOS, der Maßanzug für die feine Hardware. Die Rechner in bunt, weiß oder titanmetall. Genutzt von Designern, Filmemachern und DJs. Immer elegant, und immer auch etwas teurer als andere Geräte. So war Apple damals, vor fünf oder zehn Jahren.

Inzwischen gibt es neben den Apple-Computern auch ein Handy. "Das iPhone" wird von seinen Besitzern geliebt, vergöttert – es ist bester Freund und Lebenselixier in einem. Der Apple-Wahn ist zum Teil nachvollziehbar: Schicke weiße, schwarze, bunte Geräte mit einer hohen Benutzerfreundlichkeit.

Der Wahn ist gleichwohl emotional völlig übersteuert. Der "iPod", Apples MP3-Player, wurde ein Kassenknüller, obwohl er bei Produkttests nur im Mittelfeld abschnitt. Und kürzlich brachte Apple unter großem TamTam das "iPad" auf den Markt. Technikjournalisten auf der ganzen Welt drehten durch, viele Medien brachten ständig Neuigkeiten zu dem Gerät – lauter kleine iPad-Kicks.

Mit Microsoft hingegen ging es in den letzten Jahren abwärts. Keiner mochte die Firma, und dann wurde sie auch noch von der Europäischen Union an allen Ecken und Enden zusammengestutzt. Internet Explorer? Windows Media Player? Das dürft ihr nicht so einfach anbieten, sagten die Monopolhüter. Ihr müsst auch der (freien) Konkurrenz Brücken bauen. Und Softwarepatente wollte in Europa auch keiner haben.

Da stand Bill Gates dumm da. Das schicke Windows 7 kam zu spät. Windows Mobile: spricht irgendwer davon?

Die Welt ist aufgeteilt zwischen Apple-Fanboys und Apple-Hassern, mehr und mehr zwischen Apple und Google. Microsoft kommt nicht mehr vor. Apple ist der neue Feind.

Apple hat sich nach oben gerobbt, getarnt mit Usability und Schönheit. Schlauer als Microsoft, nutzt Apple da Freie Software, wo es sich auszahlt. Apple-Geräte sind beliebt – doch sie sind "closed". Und auch Apples Verständnis von unserer Welt: "closed". Apple will kontrollieren.

Sauber soll es sein im App Store. Mit restriktiven Policies wird er freigehalten von Sex, Gewalt und Flash. Da geht es nach den Regeln von Steve Jobs zu, und der definiert Freiheit auch mal gern als "Freedom from Porn". Der App Store: die Super-Sauber-Einkaufswelt. Und weil wir uns in Zukunft Inhalte im Netz immer weniger über Browser ansehen werden, sondern mehr und mehr via Apps, ist es relevant, welche Apps im Store verfügbar sind und welche nicht.

Apple ist wie Heroin. Apples Welt: glückliche, entmündigte Konsumenten, beschützt von den weißen Brüdern iPod, iBook, iPhone und iPad. Undurchschaubar, unfehlbar. Apple sagt: "Ihr braucht kein Flash" – und die Nutzer konsumieren nur noch das, was ohne Flash funktioniert. Apple sagt: Das sollst du nur auf meiner Hardware abspielen – dann kaufen die Menschen eben einen neuen iPod. Apple sagt: "Ihr braucht keinen Sex" – und dann gibt es eben keinen Sex.

Schöne neue Welt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.