Kommentar Attac-Kongress: Vom Kongress auf die Straße!

Toll, dass 2.500 TeilnehmerInnen beim Kapitalismuskongress von Attac teilgenommen haben. Der Erfolg zeigt sich aber erst, wenn Zehntausende auf die Straße gehen.

Mit mehr als 2.500 TeilnehmerInnen war der Kapitalismuskongress von Attac die größte linke Bildungsveranstaltung der vergangenen acht Jahre. Und es mangelte auch nicht an Gegenvorschlägen zum derzeitigen Wirtschaftssystem. Sie reichten von einer Rückbesinnung auf die Ursprünge der sozialen Marktwirtschaft über einen Green New Deal und eine Neuauflage von Bretton Woods bis hin zur Rückkehr zur Planwirtschaft - unter demokratischem Antlitz, versteht sich. Die hohe Teilnehmerzahl zeigt: Der Drang nach Antworten auf die Frage, wie es zu dieser allumfassenden Krise kommen konnte und wie sehr den Menschen die Frage nach Alternativen zum gegenwärtigen Wirtschaftssystem auf den Nägeln brennt, ist groß. Doch mehr leider auch nicht. Der dringend notwendige Kampfgeist - er blieb aus.

Dass die GlobalisierungskritikerInnen auf dem zweitägigen Kongress kein umfassendes Gegenkonzept zum Kapitalismus erarbeiten konnten, ist ihnen auch nicht wirklich anzukreiden. Denn wenn sich nicht einmal renommierte Wirtschaftswissenschaftler trauen, eine verlässliche Prognose zu wagen, wie die Weltökonomie in einem Jahr aussehen wird - wie sollen die zumeist ehrenamtlichen Attac-Mitglieder die Krise in all ihren Facetten verstehen und gar Lösungsstrategien liefern?

Und trotzdem drängt die Zeit. Die Einbrüche betreffen auch hierzulande schon lange nicht mehr nur den Autoabsatz oder den DAX. Schon in wenigen Wochen wird die Krise auch den Arbeitsmarkt mit voller Wucht getroffen haben. Dann ist spätestens im Frühsommer auch nicht mehr von Kurzarbeit die Rede, sondern von Langzeitarbeitslosigkeit. Und spätestens nach den Bundestagswahlen wird sich die Frage stellen, wie die gigantischen Konjunktur- und Bankenrettungspakete gegenfinanziert werden sollen. Es wird einen Verteilungskampf geben, den die Bundesrepublik seit ihrer Gründung nicht erlebt hat.

Debatten um eine gerechte Welt frei von Profit und Gier in allen Ehren. Der Erfolg des Kapitalismuskongresses zeigt sich aber erst, wenn tatsächlich am 28. März und 16. Mai Zehntausende in Berlin und Frankfurt auf die Straße gehen.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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