Kommentar Attentat in Toulouse: Rückfall in die Barbarei

Die harte Sicherheits- und Immigrationspolitik von Nicolas Sarkozy wird durch die Attentate von Toulouse befeuert. Neue Gräben tun sich auf.

Schon vor dem noch offenen Ausgang der Polizeiaktion von Toulouse beginnt man in Frankreich zu ahnen, dass der Terror, der Frankreich erschüttert hat, auch (blutige) Spuren im gegenwärtigen Wahlkampf hinterlassen wird. Mit der Identifizierung des mutmaßlichen Täters hat eine neue Debatte begonnen. Bisher als entscheidend geltende Themen werden zu Nebensachen, Sicherheit und Terrorbekämpfung erhalten Priorität.

Auch über die Außenpolitik, über Frankreichs militärische Interventionen sowie über das Zusammenleben der religiösen Gemeinschaften in einer weltlichen Republik wird vermehrt und anders diskutiert werden. Neue Gräben und ideologische Divergenzen werden sich dabei zwangsläufig auftun. Der Anschein einer „heiligen Eintracht“ oder „nationalen Union“, die im Angesicht der Barbarei und der Angst vor neuen und unbegreiflichen Attentaten entstanden war, verflüchtigt sich.

Der jetzt unweigerlich laut werdende Wunsch nach Ordnung und Autorität klingt wie eine Einladung an den amtierenden Präsidenten, seine harte Sicherheits- und Immigrationspolitik fortzusetzen. Dazu gehört im Namen der weltlichen Tradition der Republik auch die „Laizisierung“ des Islam, die indes von manchen Muslimen als Diskriminierung empfunden wird. Ganz offensichtlich gibt es Leute und Kräfte, denen an einer Vereinbarkeit von Islam und Republik nichts liegt – aufseiten der Muslime wie der des politischen Establishments.

Der terroristische Amoklauf von Toulouse wird diese Debatte nicht erleichtern, sondern mit dem ganzen emotionalen und dramatischen Gewicht der sieben unschuldigen Todesopfer sehr erschweren. Wenn dies das Ziel dieses „Mudschaheddins“ gewesen ist, hat er in diesen Tagen in Frankreich tatsächlich einen billigen Sieg davongetragen. Der Preis, den er dafür mit der Brutalität seiner Verbrechen zu bezahlen bereit war, ist dagegen sehr hoch und diskreditiert auf ewig die Anliegen, die er zu verteidigen vorgibt.

Einer der Väter, die am Montag in Toulouse seine unverletzten, aber schockierten Kinder aus der Schule abgeholt hatte, sagte zu Journalisten, er habe das Gefühl, wie nach einem Albtraum „in der falschen Epoche“ aufgewacht zu sein. Er steht mit diesem bitteren Gefühl, einen Rückfall in Zeiten gnadenloser Blutfehden und Kriege zu erleben, in Frankreich nicht allein.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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