Kommentar Aufstand in Arabien: Die Diktatorendämmerung

Für die autoritär-diktatorischen Regime in der arabischen Region läuft die Zeit ab. Die gesamte arabische Welt steht vor einem historischen Wandel.

Der tunesische Funke der Rebellion hat ganz Arabien erfasst. Und die Idee der Freiheit und der Würde, die diese Rebellion getragen hat, hat sich in den Köpfen der Menschen festgesetzt. Gewiss hat es in der arabischen Welt in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Hungeraufstände und politische Rebellionen gegeben. Und immer wurden sie niederkartätscht von einer skrupellosen Soldateska, die Arabiens Herrschern auch deshalb bedenkenlos zu Willen war, weil es nie zuvor gelungen war, auch nur einen dieser Autokraten vom Thron zu stürzen.

Tunesien war ohne Zweifel das schwächste Glied in der Kette der autoritär-diktatorischen Regime in der arabischen Welt. Hier konnte die Revolte einen überaus schnellen Erfolg verbuchen, weil die Armee sich weigerte, auf das eigene Volk zu schießen. In Kairo oder Sanaa, Amman oder Algier ist die Armee noch in Wartestellung, der unmittelbare Ausgang der Proteste auf den Straßen Arabiens noch unentschieden.

Und doch ist in den Palästen und Festungen dieser Usurpatoren der Macht längst der innere und äußere Ausnahmezustand eingezogen. Jetzt zittern die Mächtigen, während das Volk die Furcht verloren hat.

Vielleicht wird Muammar al-Gaddafi in Libyen länger an der Macht bleiben als Husni Mubarak in Ägypten, Bashir al-Assad in Syrien länger als Ali Abdullah Saleh im Jemen. Aber für sie alle gilt: Ihre Zeit läuft ab. Ein tiefer historischer Wandel, wie er jetzt wieder ansteht, hat in Arabien immer die gesamte Region erfasst.

Das zeigen der Aufstand gegen die osmanische Besatzung während des Ersten Weltkriegs, die Unabhängigkeit und der demokratische Wandel während und nach dem Zweiten Weltkrieg und die Machtübernahme durch nationalistische und diktatorische Militärs in den 1950er Jahren.

Auch die jetzige Rebellion wird in einem überschaubaren Zeitraum ein neues Arabien hervorbringen. Dieser Prozess wird in den einzelnen Staaten unterschiedlich ablaufen, es kann herbe Rückschläge geben. Sicher ist: Arabiens Diktaturen haben in den Augen ihrer "Untertanen" jede Legitimation für ihre Herrschaft verloren. Sie stehen nackt da, ein Gespött der Geschichte.

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61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

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