Kommentar Bahnprivatisierung: Interessen der Bürger verkauft

Von früheren Ämtern als politischer Entscheidungsträger zu profitieren, ist jetzt scheinbar Mode: Der Jobwechsel von Ex-Transnet-Chef Hansen ist zumindest unanständig.

Politische Entscheidungen herbeiführen und anschließend davon profitieren - das kommt anscheinend immer mehr in Mode: Exbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) machte es bei der Ostsee-Gasleitung so, und Exarbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) sitzt im Aufsichtsrat der Zeitarbeitsfirma DIS, nachdem er als Bundesminister die Leiharbeit liberalisiert hatte. Nun setzt Norbert Hansen, jahrelanger Chef der Bahngewerkschaft Transnet und eifriger Streiter für die Bahnprivatisierung, noch eins drauf: Kaum ist der Bahnverkauf beschlossen, will er gut bezahlter Arbeitsdirektor der Bahn werden.

Hansens Verhalten ist zumindest unanständig. Denn man braucht nur eins und eins zusammenzuzählen: Das teilprivatisierte Unternehmen wird seine Rendite steigern wollen, und das wird auf Kosten der Infrastruktur, der Steuerzahler und der Beschäftigten gehen. Diejenigen, die Hansen noch bis gestern vertrat, werden künftig noch mehr unter Stellenabbau, zunehmendem Druck auf die Löhne und Arbeitszeitflexibilisierungen leiden.

Hansen sitzt dann auf der anderen Seite des Verhandlungstischs. Er wird den Beschäftigten Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen schmackhaft machen. Fremd ist ihm das allerdings nicht. Schon als Transnet-Chef suchte er stets das kleinere Übel - auch ein Grund dafür, dass die Lokführergewerkschaft GDL bei ihrem tarifpolitischen Alleingang zunehmend starken Zulauf erhielt.

Hansen glaubt, dass er als leitender Bahnmanager die Zerschlagung des integrierten Konzerns verhindern helfen könnte, was den Bahnern letztlich nütze. Mag sein, dass an dem Argument etwas dran ist. Den Eindruck, die Interessen der Bahner und der Bürger verkauft zu haben, wischt das aber nicht weg.

Immerhin haben sich die anderen DGB-Gewerkschaften gegen eine Bahnprivatisierung ausgesprochen. Sie sind es auch, die langfristig die Folgen von Hansens Entschluss ausbaden müssen. Denn wenn der Chef einer großen DGB-Gewerkschaft die Seiten wechselt, ist das kein gutes Signal für eine starke Gewerkschaftsbewegung. Und die braucht dieses Land im Augenblick dringender denn je.

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Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.

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