Kommentar Bauernproteste in Frankreich: Die andere Europa-Krise

Nicht nur die Griechenland-Krise spaltet die EU. Auch die Landwirtschaftspolitik der Union sorgt für Ärger. Das zeigt sich nun in Frankreich.

Demonstranten mit Transparenten

Bauernprotest in Saint-Malo in Nordwesten Frankreichs Foto: reuters

Die Bauernproteste in Frankreich sind ein Alarmsignal. Nicht nur für die Regierung in Paris, die jetzt in panischer Angst vor einer Ausweitung und Radikalisierung der Aktionen mit einem improvisierten Unterstützungsplan und vage klingenden Zusicherungen reagiert.

Was aber die französischen Viehzüchter und Milchproduzenten auf die Barrikaden treibt, ist auch ein europäisches Problem. Die EU hat nicht (bloß) mit der griechischen Schuldenkrise Existenzsorgen, welche die Zukunft der Gemeinschaft infrage stellen.

In der Landwirtschaft driftet diese Wirtschaftsunion mit divergierenden Interessen und Methoden ebenfalls auseinander. Mit der letzten Revision der Gemeinsamen Agrarpolitik, die das System der Subventionen den Realitäten angepasst hat, wurde am Grundproblem kaum etwas geändert: Der Binnenmarkt ist offen, die europäische Konkurrenz frei, doch von einer Harmonisierung der Sozial- und Umweltnormen oder der Fiskalpolitik ist die EU immer noch weit entfernt.

Die französische Regierung hat nach heftigen Protesten der Landwirte eine Soforthilfe für Viehzüchter und Milchbauern im Wert von 600 Millionen Euro angekündigt. Paris reagiert damit auf die heftigen Proteste der Bauern, die seit Montag unter anderem die Straßen bei Caen in der Normandie sowie die Zufahrt zum touristischen Mont-Saint-Michel blockiert hatten. Der wichtigste Bauernverband FNSEA reagierte eher positiv auf die Ankündigungen, ließ aber offen, ob alle Straßenblockaden sofort aufgehoben würden.

Den Preis dafür bezahlen unter anderem die französischen Landwirte. Sie müssen nach französischen Gesetzen und Standards produzieren, doch die Preise, die sie für ihre Produkte erhalten, entsprechen den europäischen Marktbedingungen und den billigeren Produktionskosten quasiindustrieller Großbetriebe in anderen EU-Staaten.

Das ist aus französischer Sicht ein unfairer Wettbewerb. Gemäß Marktgesetzen kann das nur mit dem Ruin der kleinen Familienbetriebe enden. Wer will das? Den Konsumenten, die nicht immer willig sind, aus Patriotismus für einheimische Produkte mehr zu bezahlen, kann man nicht die ganze Verantwortung zuschieben.

Das Alarmsignal der Straßenblockaden in der Normandie geht nach Brüssel an die EU, die sich mit dieser Konkurrenz mit Sozial- und Umweltdumping befassen muss. Nicht nur wegen des Überlebens der französischen Bauern, sondern auch wegen der Qualität unserer Nahrung.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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