Kommentar Bayerisches Konkordat: Deutschland, ein Kirchenstaat

Die Forderung der Bayerischen Grünen, das Konkordat Bayerns mit den Katholiken von 1924 aufzukündigen, richtet sich zu Recht gegen die heillose Vermischung von Staat und Kirche.

Ein Wahlkampfhit ist das Thema nicht. Dass der Fraktionschef der bayerischen Grünen verlangt, der Freistaat möge das 1924 mit der katholischen Kirche abgeschlossene Konkordat aufkündigen, könnte enttäuschte CSU-Stammwähler doch noch zur Stimmabgabe bewegen. Die Forderung könnte auch einige Grünen-Anhänger irritieren, schließlich ist die Partei bei Kirchenfernen wie kirchlich Engagierten ungefähr gleich gut verankert.

In der Sache aber hat der Mann völlig recht, und seine Forderung ist alles andere als religionsfeindlich. Sie richtet sich gegen eine heillose Vermischung von Kirche und Staat, wie sie in Deutschland insgesamt praktiziert wird, in Bundesländern wie Bayern durch gesonderte Konkordate aber in verschärfter Form. Eine wirkliche Trennung der beiden Sphären wie in Frankreich oder den USA gibt es hierzulande nicht. Die Traditionen des protestantischen Staatskirchentums und der katholischen Fürstbistümer wirken bis heute fort - Herrschaftsformen, wie sie fast nur im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation praktiziert wurden. So ziehen staatliche Finanzämter mit hoheitlichen Zwangsmitteln die Beiträge für die christlichen Großkonfessionen ein. Religionslehrer werden vom Staat dafür bezahlt, dass sie kirchliche Lehrinhalte verbreiten. Katholiken und Protestanten können sich mit Kindergärten und Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen als soziale Wohltäter profilieren - die Rechnung begleicht der Staat. An den steuerfinanzierten Fakultäten für Theologie verlieren Professoren ihre Lehrberechtigung, wenn sie heiraten oder von der päpstlichen Doktrin abweichen. In Bayern bezahlt der Staat sogar die Bischöfe, lässt die Kirche bei der Besetzung bestimmter Lehrstühle auch außerhalb der theologischen Fakultäten mitreden.

Skandalös waren diese Zustände schon immer, in einer multireligiösen Gesellschaft sind sie allerdings auch nicht mehr praktikabel. Eine striktere Trennung von Staat und Religion im Islam können jene CSU-Politiker, die jetzt auf den grünen Fraktionschef einschlagen, jedenfalls nicht mehr glaubwürdig einfordern.

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