Kommentar Berliner Antifa: Scheitern der Kapuzenpolitik

Eine Gruppe, die die antikapitalistischen Kämpfe über Jahre entscheidend geprägt hat, gesteht ihre Lernfähigkeit ein. Auf Wiedersehen.

Linke Demonstration in Hamburg. Bild: dpa

AktivistInnen aus dem autonomen Milieu wird, meist von gemütlicheren ZeitgenossInnen, gerne einiges vorgehalten: politische Plattheit, eine verkürzte Kapitalismuskritik und der fehlende Wille zur kritischen Selbstreflexion gehören dazu. Die Tatsache, dass sich mit der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) eine prototypische und einflussreiche Kerngruppe dieses Milieus auflöst, ist der Ausdruck einer Antifa in der Krise. Wenn sich ausgerechnet die Gruppe, die zentral und typisch für „die Antifa“ stand, jetzt auflöst – was sagen wir da: Bye-bye, Antifa? Oder lieber: Auf Wiedersehen?

Bei aller Kritik, die aus den grünbürgerlichen Milieus einerseits, andererseits aus dem linksradikalen Spektrum in den letzten Jahren immer wieder an klassische Antifagruppen gerichtet wurde – ausgerechnet der letzten Meldung der ALB, dem Auflösungsschreiben, ist von Plattheit und Gram wenig anzumerken. Im Gegenteil: Der alte Slogan „Antifa heißt Angriff“, so heißt es da, sei höchstens noch als „Phrasendrescherei“ zu werten. In einem ruhigen, differenzierten Ton gesteht dort eine Gruppe, die die antikapitalistischen Kämpfe über Jahre entscheidend geprägt hat und die viele für nicht lernfähig hielten, ihre Lernfähigkeit ein. Und, ja, damit auch ihr Scheitern.

Dieses Ende ist das Ergebnis einer langwierigen selbstkritischen Auseinandersetzung, die die Szene in den vergangenen Jahren offensiv und öffentlich mit sich ausgetragen hat. In vielen deutschen Städten haben Antifa-Gruppen sich daraufhin neu sortiert. Dafür gab es auch genügend inhaltliche und strategische Gründe.

Auf zahlreichen politischen Feldern – seien es die Flüchtlingsproteste, das Aufkommen der rechtskonservativen Partei AfD oder die Debatte um Überwachung nach den Enthüllungen von Edward Snowden – haben viele klassische autonome Gruppen keine politischen Mittel und Wege – kurz: keine Anschlussfähigkeit – mehr für sich gefunden.

Konflikt um politische Mittel

Das langsame Scheitern der Kapuzenpolitik hat aber neben der inhaltlichen auch eine ästhetische Komponente: Die neue Bastion der antikapitalistischen Linken ist das Grafikbüro. Zahlreiche linke Strömungsgruppen haben begriffen, dass sie den Weg in Richtung gesellschaftlicher Veränderung nur erfolgreich antreten können, wenn sie an ihrer Popularisierung arbeiten und damit auch an der Ästhetik radikalen Handelns. Die offene Konfrontation und ein buntes, dennoch radikales Auftreten haben ausgehend von den G-8-Protesten in Heiligendamm 2007 das Gesicht einer pluralistischen Mosaiklinken geprägt, die lebensbejahend ist und politische Komplexitäten anerkennt.

Der symbolträchtige Konflikt innerhalb der ALB, die lange der wichtigste Gastgeber der „revolutionären 1.-Mai-Demonstration“ in Berlin war, ist letztlich auch ein Konflikt um diese Frage – eine Frage der politischen Sprache und der politischen Mittel. Die ALB ist mit ihrer Selbstauflösung diesen Schritt in letzter Konsequenz gegangen. Nicht hinfort, nicht auf Nimmerwiedersehen, sondern dorthin, wo die Aufgaben liegen: die außerparlamentarische Linke in Deutschland strömungsübergreifend zu erneuern. Das bedeutet: Tschüss, Antifa. Und: Auf Wiedersehen.

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