Kommentar Berlusconi: Kein Knast, keine Koalition

Auch das aktuelle Abhör-Urteil wird Berlusconi nicht ins Gefängnis bringen. Politisch ist er aber isolierter denn je – und weitere Prozesse stehen an.

Ein Jahr Haft für Silvio Berlusconi, weil er sich illegal ein Abhör-Tape über politische Gegner verschaffte, und gleich zwei Jahre und drei Monate für seinen Bruder Paolo: So das Urteil eines Mailänder Gerichts am Donnerstag. Ja und?, ist man versucht zu sagen. Der Weg bis zum endgültigen Spruch ist sehr lang, Berlusconi wurde noch nie in letzter Instanz verurteilt. Hinzu kommt, dass seine Kernwählerschaft völlig immunisiert ist; die Wahlen haben das erneut bewiesen.

Und doch hat dieses Urteil Folgen. In den nächsten Wochen werden sich die Justiznachrichten über den ewig Straflosen kräftig häufen. Die Urteile im Ruby-Prozess sowie in einem Prozess wegen Steuerhinterziehung stehen an, dazu kommt die Aufnahme eines Verfahrens, weil Berlusconi in den Jahren 2006–2008 Millionen ausgegeben haben soll, um Parlamentarier des gegnerischen Lagers abzuwerben.

Konsequenzen hat das vor allem in der verfahrenen politischen Situation. Berlusconi träumt weiter von einem Kompromiss mit dem gemäßigt linken Partito Democratico (PD): Diesen Kompromiss wird er nicht bekommen.

Denn nach dem Boom Beppe Grillos würde es die PD schier zerreißen, wenn sie auch nur die kleinste Absprache mit der Berlusconi-Rechten träfe. Das gilt erst recht, weil das gerade gefällte Urteil genauso wie die jetzt anstehenden Verfahren eines klar zeigen: Berlusconi spielt foul, wann immer er kann. Selbst eine „Technikerregierung“, getragen von links und rechts, so wie zuletzt die Regierung Monti, scheidet damit aus.

So hat das Urteil von Mailand direkten Einfluss auf die (un-)möglichen Lösungen für das Patt im Parlament. Der PD bleibt nur der Weg, bei Grillo um Unterstützung zu buhlen. Doch da Grillo diese Lösung vorerst ausschließt, bringt auch der Richterspruch von Mailand Italien raschen Neuwahlen ein gutes Stück näher.

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Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.

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