Kommentar Bodenoffensive in Gaza: Breitbeinige Hoffnungslosigkeit

Irael befindet sich in einer Hassspirale und die Hamas ist zynisch wie immer: Warum Verzweiflung trotzdem die falsche Antwort ist.

Junge im Gazastreifen am Freitag Bild: Reuters

Hoffnung ist naiv, Verzweiflung vernünftig. Für den Schriftsteller David Grossman beschreibt just diese Perversion der Gefühle die allgemeine Stimmungslage in Israel. In seinem großartigen Essay „Unsere Verzweiflung ist unser Untergang“ zeigt er, wie die verhöhnte Hoffnung auf Frieden die militärische Eskalation bedingt.

So fällt Premier Netanjahu nichts besseres ein, als Bodentruppen nach Gaza zu schicken; die Hassspirale der Rechten fordert ihren Tribut. Und die Hamas hatte ohnehin nie eine Perspektive für Gaza entwickelt. Sie lebte ja gut vom Geld der Muslimbrüder und dem Assadregime. Beide fallen heute als Partner aus, also zettelt sie einen Krieg an. Die bittere Armut der Palästineser in Gaza wird so noch bitterer werden. Frieden gäbe ihnen die Möglichkeit, ihre Verzweiflung auch gegen die Hamas zu richten – er ist für letztere also eine Bedrohung.

Breitbeinige Hoffnungslosigkeit gilt aber auch im kriegsverschonten Westen als angemessene Welthaltung. Die Folge ist die Parteinahme für die diktatorischen Eliten sowie das Prinzip Stabilität, das aber nicht funktioniert, wie unschwer in Syrien, Irak, Gaza, Lybien und auch in Ägypten zu beobachten ist. Also sieht man weg.

Krieg und Kooperation mit Diktatoren bedeuten immer das totale Versagen der Politik. Und die versagt, weil sie aufgehört hat, Probleme im Kontext zu sehen. Allerorts wird über Isis debattiert, indes der Krieg des Assadregimes gegen die syrische Bevölkerung weiter verdrängt wird. Doch der Aufstieg von Isis im Irak ist ohne die Lage in Syrien nicht zu verstehen.

Die Dschihadisten sind das Ergebnis der Arroganz der Mächtigen wie der internationalen Mittelschichten; denn nur die Hoffnung auf Freiheit, Wohlstand und Bildung auch für die Mehrheit im Nahen Osten wird ihren Vormarsch aufhalten können. Die Aktivisten der Arabellion haben die Hoffnung darauf verkörpert. Sie wurden von allen verraten. Das Ergebnis sind Al-Qaida, Isis, 170.000 tote und neun Millionen flüchtende Syrer. Die Toten im Irak zählt niemand mehr. Glückwunsch.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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