Kommentar CDU-Vorsitz: Der Bus ist abgefahren

Ein CDU-Vorsitzender Merz würde abtrünnige Wähler nicht von der AfD zurückholen. Dafür ist er zu sehr Elite – und eben doch zu wenig rechts.

CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz

Was dieser Mann nicht alles können soll: Friedrich Merz ist Projektionsfläche für CDU-Träume Foto: Reuters

Was für eine Projektionsfläche der Mann doch ist. Er kann das konservative Profil der CDU schärfen. Die Partei endlich wieder zu Wahlerfolgen um die 40 Prozent führen. Und nicht zuletzt: Er kann die fiese Konkurrenz am rechten Rand schwächen und die Wahlergebnisse der AfD halbieren. Kurzum: Er wird das Land und seine Demokratie retten.

So oder so ähnlich sagt und suggeriert das nicht nur Friedrich Merz, einer der beiden aussichtsreichsten KandidatInnen im Rennen um den CDU-Vorsitz, von sich selbst. Das glauben auch viele in- und außerhalb der Partei.

Doch man kann all das auch getrost bezweifeln. Zum einen kommt nicht die Hälfte der AfD-WählerInnen von der CDU, es sind deutlich weniger. Zum anderen kann man WählerInnen nicht einsammeln wie Reisende an einer Haltestelle. Wenn der CDU-Bus plötzlich mal wieder kommt, steigen AfD-AnhängerInnen noch lange nicht ein. Sie haben sich längst auf ein anderes Verkehrsmittel festgelegt – und auf ein anderes Ziel.

Viele von ihnen wollen eben nicht nur eine etwas konservativere Union. Sie wollen eine völkisch-nationale, männerdominierte Politik, sie wollen eine andere Republik. In diesem Wettlauf nach ganz rechts kann die CDU auch unter Merz nicht mithalten. Sollte sie es versuchen, wird sie nicht nur die Frauen verlieren, sondern in der Mitte weiter einbrechen. Von künftigen Koalitionsoptionen mal ganz zu schweigen.

Merz mag ein konservativer Knochen sein. Er verkörpert aber auch vieles, was zum originären Feinbild der AfD gehört – und das beinahe in Reinform.

Noch wichtiger aber ist: Merz mag ein konservativer Knochen sein, was manchen AfD-Fans sicher gefällt. Er verkörpert aber auch vieles, was zum originären Feinbild der AfD gehört – und das beinahe in Reinform: Er ist ein Paradebeispiel für's verhasste Establishment, das den Bezug zum einfacher Bürger verloren hat. Er hat beim Vermögensverwalter Blackrock sehr viel Geld verdient. Er ist neoliberal, ein Freund der USA und will bei der Rente auf Aktien setzen.

All das mögen AfDler gar nicht. Dass er das Thema Asyl schlecht vorbereitet und offenbar mäßig informiert auf die Tagesordnung gesetzt hat, durften die RechtspopulistInnen gar als Steilvorlage nutzen.

Dass heute der Anfang vom Ende der Ära Merkel beginnt, beunruhigt viele in der AfD, auch wenn sie das niemals zugeben würden. Schließlich lässt sich mit dem Slogan „Merkel muss weg“ die eigene Klientel bestens moblisieren. Dass Merz Merkels Nachfolger werden könnte, aber macht sie im Vergleich zu den GegenkandidatInnen nicht übermäßig nervös.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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