Kommentar CDU und urbane Milieus: Die wankelmütige Mitte

Die CDU diskutiert darüber, ob sie ein Problem in den Großstädten hat. Doch Bürgermeisterwahlen sind immer auch Abstimmungen über Persönlichkeiten.

Spricht die CDU noch urbane Milieus an? Bild: dpa

Die Analyse der CDU-Strategen nach der Stuttgart-Wahl klingt mehr als hilflos. Jaja, die CDU hat ein Problem in den Großstädten, heißt es zerknirscht. Dann betont der Erste, die Partei müsse sich weiter modernisieren, also engagiert für Frauenquote und Mindestlohn streiten. Der Zweite behauptet das Gegenteil, nämlich dass die CDU den Grünen nicht hinterherlaufen dürfe. Und der Dritte holt die Floskel hervor, man brauche endlich wieder Kümmerer in den Städten.

Wahrscheinlich lässt sich die Frage, warum die CDU in den Städten verliert, schlicht nicht abschließend beantworten. Sicher ist nur, dass die pragmatisch agierende Kanzlerin ihrer Partei bereits ein Höchstmaß an Anpassung an den Zeitgeist zugemutet hat. Mehr Modernisierung würde die CDU nur schwerlich verkraften, und sie verlöre dadurch mehr Wähler in ländlichen Räumen, als sie in Städten gewänne.

Bürgermeisterwahlen sind immer auch Abstimmungen über Persönlichkeiten. Mit ihrer neuen Flexibilität tendiert die bürgerliche Mitte mal zu dem Kandidaten dieser, mal zu dem jener Partei.

Kennt noch jemand Christoph Ahlhaus, den CDU-Hardliner, der gegen Olaf Scholz (SPD) in Hamburg unterging? Er verlor nicht wegen einzelner Sachthemen, sondern weil der nüchtern-wirtschaftsorientierte Sozialdemokrat das Lebensgefühl der Mitte traf.

So ähnlich lief es bei Fritz Kuhn. Dem unprätentiösen Vollprofi vertrauen die Stuttgarter ihre Stadt an, nicht aber dem blassen Politikneuling Sebastian Turner. Dass auch die CDU mit der richtigen Person in der Lage ist, aufgeschlossene Bildungsbürger zu erreichen, hat Petra Roth in Frankfurt am Main bewiesen.

Diese Bedeutung der Persönlichkeit ist übrigens der Grund, warum die CDU-Strategen ihre Verluste in den Städten mit Gelassenheit betrachten können. Angela Merkel wird im Bund viele Frauen in Großstädten ansprechen. Ein Peer Steinbrück, der ein sehr altmodisches Männlichkeitsbild bedient, eher nicht.

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Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.

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