Kommentar China: Die Macht zur willkürlichen Zensur

Dem chinesischen Schriftsteller Liao Yiwu wurde die Ausreise aus China verweigert. Damit zeigt die KP, dass ihr Bitten und Proteste aus dem Ausland fast egal sind.

Gründe nannten die Polizisten nicht, als sie den Schriftsteller Liao Yiwu kurz vor dem Start aus dem Flugzeug holten und ihm damit die Ausreise aus China verweigerten. Nur so viel: Die Entscheidung komme "von oben", was immer das heißen mag.

Die deutsche Regierung hatte sich vor dem erneuten Eklat für Liao verwandt, er selbst hatte die Kanzlerin um Hilfe gebeten. Die chinesischen Funktionäre blieben unbeirrt. Das Verhalten der KP-Führer und ihrer Behörden ist ein Zeichen für den eisigen Wind, der heute nicht nur Frau Merkel, sondern auch anderen europäischen und amerikanischen Politikern und Menschenrechtsorganisationen entgegenweht. Kritische Schriftsteller und politische Querdenker sind in jüngster Zeit wieder stärker im Visier der Staatssicherheit, und die Gerichte fällen harte Urteile über Oppositionelle. Die elf Jahre Haft für den Autor des Reformappells "Charta 08", Liu Xiaobo, haben nicht nur Ausländer, sondern auch viele Chinesen zutiefst schockiert.

Damit zeigt die chinesische KP deutlich, dass ihr derzeit Bitten und Proteste aus dem Ausland weitgehend egal sind. Die sogenannte Stabilität nach innen ist ihr wichtiger, als Ärger auf der diplomatischen Ebene zu vermeiden.

Verwirrend scheint da nur die Widersprüchlichkeit, mit der die Behörden handeln. Während Liao seit Jahren vergeblich versucht, ins Ausland zu reisen, ist sein - mindestens ebenso kritischer - Künstlerkollege Ai Weiwei ständig zwischen Asien, Amerika und Europa unterwegs. Auf dem Kölner Literaturfestival wird er mit der Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller debattieren. Warum darf Ai, was Liao nicht darf, warum sitzt Liu hinter Gittern, während andere Unterzeichner der "Charta 08" auf freiem Fuß sind? Es liegt nicht daran, dass der eine mutiger oder kritischer ist als der andere, dass der eine bessere Verbindungen zum politischen Establishment hat als der Rest. Alle sind sehr couragiert.

Vielmehr zeigt die Regierung, dass sie mit absoluter Willkür vorgehen kann, wann immer ihr das in den Kram passt. Auf diese Weise erzeugt sie Unsicherheit und Angst unter ihren Kritikern. Umso wichtiger ist es daher, dass Kanzlerin Merkel und andere ausländische Politiker beharrlich immer wieder in China nachfragen, warum Leute wie der Bürgerrechtler Liu in Haft sind und warum Schriftsteller wie Liao nicht nach Deutschland reisen dürfen.

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Bis Anfang 2012 Korrespondentin der taz in China, seither wieder in der Berliner Zentrale. Mit der taz verbunden seit über zwanzig Jahren: anfangs als Redakteurin im Auslandsressort, zuständig für Asien, dann ab 1996 Südostasienkorrespondentin mit Sitz in Bangkok und ab 2000 für die taz und andere deutschsprachige Zeitungen in Peking. Veröffentlichung: gemeinsam mit Andreas Lorenz: „Das andere China“, wjs-verlag, Berlin

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